A.T. Kearney-Studie: Chemieindustrie kann sich aus Sicht ihrer Kunden in puncto Innovationsleistung noch steigern

Effizienzpotenziale werden nicht ausreichend für die Erfüllung langfristiger Kundenanforderungen genutzt

07.05.2008

Obwohl die Kundenindustrien dem Zulieferer Chemie eine durchaus zufriedenstellende Innovationskraft attestieren, mangelt es zum Teil an einer konsequenten Adressierung der langfristigen Bedürfnisse ihrer Kunden. Schlüssel dazu wäre die verbesserte Ausschöpfung der brachliegenden Effizienzpotenziale durch optimiertes Innovations- und Komplexitätsmanagement. Intelligent und nachhaltig im Sinne einer langfristigen Bedienung der Kundenanforderungen genutzt, könnte beides erheblich dazu beitragen, sich auf zukünftige Herausforderungen besser vorzubereiten und damit einen wesentlichen Beitrag zur Zukunftssicherung der Chemieindustrie in Deutschland zu leisten. Bis zu fünf Milliarden Euro Umsatz mit neuen Produkten ließen sich generieren, würde die Chemieindustrie die Potenziale ausschöpfen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Chemische Industrie als Innovationsführer?", in der die Top-Managementberatung A.T. Kearney die Innovationskraft der Chemieindustrie und anderer Zulieferindustrien untersucht hat.

Effektives und effizientes Innovationsmanagement zählt zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren in der Chemieindustrie. Doch wie gut kennen Unternehmen der chemischen Industrie die Marktanforderungen ihrer jeweiligen Kunden? Und in welchem Maße bilden sie diese in entsprechenden Produkt-, Prozess- oder Service-Innovationen ab? Wie gut schneidet die chemische Industrie im Vergleich zu anderen Zulieferbranchen ab? Diesen Fragen ist A.T. Kearney im Rahmen einer Studie mit integrierter Umfrage unter Firmen der zentralen Kundenindustrien nachgegangen.

"Die Leistungsfähigkeit seiner Innovationskraft erhöht ein Unternehmen nicht nur dadurch, dass es das Verhältnis von Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) zu Umsatz optimiert", sagt Thomas Rings, Vice President bei A.T. Kearney und Leiter der weltweiten Process Industries Practice. "Es geht vielmehr darum, unter den Handlungsalternativen die richtige auszuwählen und diese auf effiziente Weise umzusetzen. Nur so können Unternehmen durch Innovationen wachsen. Davon ist manch ein Branchenplayer noch ein Stück weit entfernt. Eigenen Untersuchungen zufolge schlummert bedeutendes Effizienzpotenzial im Innovations- und Komplexitätsmanagement der deutschen Chemieindustrie."

Langfristige Anforderungen zu wenig beachtet

Dieses Bild zeigt auch die Befragung von A.T. Kearney, in der die zentralen Kundenindustrien der Chemieindustrie zur Innovationskraft ihrer Zulieferer im Allgemeinen und der Zulieferer aus dem Chemiesektor im Besonderen befragt wurden. Beteiligt haben sich Unternehmen der Branchen Automobil, Bau, Konsumgüter, Kosmetik, Medizintechnik, Verpackung sowie Papier und Zellstoffe. Es wird deutlich, dass die Kundenindustrien zwar generell mit der Innovationskraft des Zulieferers Chemie zufrieden sind, allerdings Optimierungspotenzial sehen, wenn es darum geht, ihre langfristigen Anforderungen besser zu verstehen und zu adressieren.

Obwohl rund 94 Prozent der Befragten die Beiträge ihrer Zulieferer zur Erfüllung der Anforderungen ihrer direkten Kunden für sehr wichtig beziehungsweise wichtig halten, gab rund jeder dritte Befragte an, dass lediglich 10 bis 20 Prozent der aktuellen Produkt- oder Prozessinnovationen von Zulieferern initiiert wurden. Bei weiteren 24 Prozent waren es sogar weniger als 10 Prozent der aktuellen Innovationen.

Vor allem fehlt es manchen Zulieferern in puncto Innovationskraft an Weitblick, wenn es um das langfristige Verständnis bzw. die Antizipation ihrer Kundenanforderungen geht, so ein weiteres Ergebnis. Während 65 Prozent der Befragten den Beitrag ihrer Zulieferer zur Erfüllung aktueller Kundenanforderungen als "gut" und 29 Prozent als "ausreichend" einstufen, zeichnet sich beim Blick auf zukünftige Kundenanforderungen ein schwächeres Bild ab. Nur 18 Prozent halten den Beitrag der Zulieferindustrie hier für "gut", 41 Prozent für "ausreichend" und 35 Prozent für "verbesserungswürdig".

Des Weiteren zeigt die Befragung, dass Zulieferer aus der Chemieindustrie zwar eine im Wesentlichen zufriedenstellende Kenntnis der Anforderungen ihrer direkten Kunden haben, diese Kenntnis aber entlang der Wertschöpfungskette hin zum Endkonsumenten deutlich abnimmt. Für die Kenntnis der Anforderungen der Endkonsumenten gilt: Rund 70 Prozent der Befragten halten dieses Verständnis für "verbesserungswürdig" oder maximal "ausreichend".

Das Optimierungspotenzial fasst Dr. Tobias Lewe, Vice President im Bereich Process Industries bei A.T. Kearney, zusammen: "Würde man die gesamte Branche auf das Leistungsniveau der Top 30 Unternehmen anheben, so ließen sich im Jahr schätzungsweise fünf Milliarden Euro mehr an Umsatz mit neuen Produkten generieren. Alternativ: Wäre die Branche so effizient wie die 30 Besten, könnte im Jahr ein Einsparpotenzial in Höhe von zwei Milliarden Euro realisiert werden."

A.T. Kearney hat verschiedene Erfolgsfaktoren identifiziert, die bei der Optimierung des Innovationsmanagements eine zentrale Rolle spielen. Von zentraler Bedeutung ist die Definition einer langfristigen Innovationsstrategie, die fest in der Unternehmensstrategie verankert ist. Dafür ist eine fundierte Kenntnis der Trends im Wettbewerbsumfeld und seiner Auswirkungen für Märkte und Kunden unerlässlich. Aufbauend auf der Innovationsstrategie kann dann das Innovationsportfolio definiert und gesteuert werden, um time-to-profit gezielt zu reduzieren. Grundvoraussetzung ist dabei eine Transparenz über die gesamten Ausgaben für Innovation über alle Funktionen hinweg.

Zweiter zentraler Hebel zur Freisetzung der schlummernden Effizienzreserven liegt in einer Verbesserung des Komplexitätsmanagements, dessen Bedeutung von vielen Unternehmen unterschätzt wird. Auch hier ist es wichtig, dass Unternehmen Transparenz über die Komplexitätskosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette erlangen. Konsequent gilt es, für jedes Produkt die realen Komplexitätskosten zu ermitteln, die richtigen Komplexitätstreiber zu identifizieren und in einer integrierten Herangehensweise die Komplexitätskosten zu reduzieren. Ziel ist, ein gesamtunternehmerisches Optimum aus Komplexität auf der einen und Profitabilität und Wachstum auf der anderen Seite zu erzielen.

Abschließend stellt Thomas Rings fest: "Im nächsten konjunkturellen Abschwung ist damit zu rechnen, dass sich der Unternehmensfokus wieder verstärkt auf den Faktor Kosten richtet. Die Folge: Kosteneffizienzen werden den Umsatzpotenzialen vorgezogen. Doch die Kunden der Chemieindustrie sprechen eine deutliche Sprache und fordern die Zulieferer auf, durch Effizienzsteigerungen freiwerdende Mittel konsequent im Sinne einer langfristigen Themenstellung und Ausschöpfung von Trends zu nutzen".

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