Nano-Skulpturen in Gold

Berliner Wissenschaftler klären mit einer neuen Methode die Struktur ungeladener Nanopartikel aus Gold auf

05.08.2008 - Deutschland

Wer geladen ist, verändert vielleicht schon mal die Gesichtsfarbe, reißt sich aber nicht gleich einen Arm ab, um ihn als drittes Bein zu montieren. Bei manchen Molekülen ist das anders, zum Beispiel in einem Gold-Cluster mit sieben Atomen. Diese ordnen sich im geladenen Zustand anders an als im ungeladenen, wie Wissenschaftler des Berliner Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft, des Steacie-Institut für Molekulare Wissenschaften in Kanada und des niederländischen Freie-Elektronen-Lasers FELIX am FOM-Institut Rijnhuizen herausgefunden haben. Die Forscher haben ein Infrarot- und ein Massenspektrometer raffiniert kombiniert und auf diese Weise erstmals die Strukturen von ungeladenen Gold-Nanopartikeln bestimmt. Solche Partikel werden derzeit als Katalysatoren in Betracht gezogen, die gezielt bestimmte chemische Reaktionen unterstützen.

Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft

Gizeh in der Nanowelt: Die Goldpartikel wurden auf virtuellen Wüstensand gesetzt. Ein Cluster aus sieben Atomen formt ein gleichseitiges Dreieck, an dem ein Atom als zusätzliche Ecke hängt. 20 Atome türmen sich zu einer Pyramide mit dreieckiger Grundfläche. Mit einem Atom weniger verliert die Pyramide ihre Spitze.

Chemisch träge und teuer: Diese Eigenschaften dämpften die Begeisterung, die Chemiker für Gold empfanden - zumindest seit die Zeiten der Alchemie vorbei sind. Doch seit einigen Jahren lebt das Interesse wieder auf: "Möglicherweise eignen sich Nanopartikel des Edelmetalls als Katalysatoren für wichtige Reaktionen in der chemischen Industrie", sagt André Fielicke, der die Arbeit der Berliner Forscher leitete. Die winzigen Gold-Partikel sind bei den Reaktionen, die sie unterstützen, nämlich sehr wählerisch.

Ob die Gold-Nanopartikel bestimmte Reaktionen begünstigen können, hängt stark von ihrer Struktur ab. Forscher des Berliner Fritz-Haber-Instituts haben nun eine Methode entwickelt, die Gestalt von neutralen Gold-Clustern zu bestimmen. Wie einige dieser Ensembles von bis zu einigen Dutzend Atomen im geladenen Zustand aussehen, wissen Chemiker schon länger. Als Katalysatoren wären aber vor allem ungeladene Partikel interessant. Und die nehmen manchmal eine ganz andere Gestalt an als geladene Cluster mit derselben Anzahl an Atomen.

Die Berliner Forscher haben Cluster aus 7, 19 und 20 Atomen untersucht. Für die ungeladenen Partikel mit 19 und 20 Atomen beobachteten sie dabei dieselbe Strukturen, die von deren negativ geladenen Pendants bekannt sind: 20 Goldatome stapeln sich zu einem Tetraeder, einer Pyramide mit dreieckiger Grundfläche. Ein Atom weniger kostet die Pyramide die Spitze. "Sieben Goldatome bilden im ungeladenen Zustand ein Dreieck mit einer zusätzlichen Ecke", sagt André Fielicke. In einem einfach positiv geladenen Cluster bilden sieben Atome dagegen ein Sechseck mit einem Atom in ihrem Zentrum. In der ungeladenen Form sitzen an jeder Kante eines Dreiecks drei Goldatome. An einer Kante werden zwei Atome von einem weiteren überbrückt, so dass die zusätzliche Ecke entsteht. "Diese Struktur bevorzugen die Goldatome in der ungeladenen Form wahrscheinlich, weil sich die Elektronen darin besser aus dem Weg gehen können", sagt Fielicke.

Um die ungeladenen Nanopartikel strukturell abzutasten, mussten die Berliner Wissenschaftler gleich mehrere Probleme bewältigen: "Die Cluster sind ziemlich instabil, die kann man nicht einfach so als Pulver kaufen", erklärt Philipp Gruene, der einen großen Teil der experimentellen Arbeiten vornahm. Die Wissenschaftler müssen die Gold-Cluster also in derselben Apparatur herstellen, in der sie auch die Gestalt der Teilchen bestimmen. Zu diesem Zweck verdampfen sie mit einem Laserstrahl aus einem Goldstab kleine Mengen des Edelmetalls. Auf diese Weise bilden sich Gold-Cluster unterschiedlicher Größen und Formen. In diesem Durcheinander der Teilchen lässt sich keine Struktur bestimmen - das nächste Problem.

Gewöhnlich trennen Chemiker einen solchen Teilchen-Mix in einem Massenspektrometer. Dieses Gerät ionisiert die Teilchen zunächst, lädt sie also elektrisch auf. Dann trennt es sie in einem elektrischen Feld nach ihrer Masse, da das Feld leichte Partikel schneller beschleunigt als schwere - wenn beide dieselbe Ladung tragen. Steht eine größere Menge einer Teilchensorte zur Verfügung, lässt sich deren Struktur etwa in einem Infrarotspektrometer aufklären.

In einer solchen Apparatur bringt Infrarot-Licht die Teilchen je nach der Wellenlänge, also der Farbe des Lichts auf verschiedene Weise zum Schwingen. Viele Teilchen lassen sich aufgrund der verschiedenen Schwingungen, zu denen sie in der Lage sind, identifizieren. Denn die Möglichkeiten zu schwingen ergeben sich aus der Gestalt eines Moleküls. So pulsiert ein ringförmiges Molekül ganz anders als ein längliches, selbst wenn es dieselben Atome enthält. Um welche Schwingung es sich handelt, verrät die Wellenlänge, bei denen ein Infrarotspektrometer einen Ausschlag registriert.

Da die Berliner Wissenschaftler die Strukturen ungeladener Teilchen betrachten wollen und nur sehr wenige Teilchen produzieren können, scheidet dieses Vorgehen aus. Dennoch nutzen die Berliner Wissenschaftler die beiden Methoden, sie kombinieren sie nur auf raffinierte Weise. Ehe sie das Teilchendurcheinander trennen, feuern sie nämlich mit einem sehr intensiven Infrarotlaser bestimmter Wellenlänge auf den Mix. Das Laserlicht ist so intensiv, dass es die Cluster auf recht rabiate Weise trennt. Die Teilchen, die sich von dem intensiven Licht in Vibrationen versetzen lassen, schwingen nämlich gleich so stark, dass sie platzen.

Nach der Selektion mit dem Infrarotlaser schicken die Forscher die Mischung der verbleibenden Teilchen durch ein Massenspektrometer. Die Teilchen, die von einer bestimmten Wellenlänge des infraroten Lichts angeregt und zerstört wurden, hinterlassen im Massenspektrum kaum noch Spuren. Dass da an einer bestimmten Stelle im Massenspektrum etwas fehlt, stellen die Forscher mit einem Vergleichsexperiment fest: Sie trennen auch eine Mischung von Goldclustern im Massenspektrometer, die sie vorher nicht der Spezialbehandlung mit dem intensiven Infrarotlaser unterzogen haben.

Solch ein Experiment mit einem Laserstrahl von einer einzigen Wellenlänge zu machen, bringt noch nicht viel. Erst ein komplettes Schwingungsspektrum, enthüllt die Gestalt eines Teilchens. "Also müssen wir das Experiment bei etwa 200 verschiedenen Wellenlängen des Infrarotlasers wiederholen", sagt André Fielicke. Das schafft den Wissenschaftlern das nächste Problem: Laserlicht, das über einen größeren Teil des Spektrum intensiv genug ist, um die Cluster zum Bersten zu bringen, liefert nur ein Freier-Elektronen-Laser. Deshalb haben die Berliner Forscher die Struktur der Gold-Cluster am Free Electron Laser for Infrared eXperiments, kurz Felix, im niederländischen Nieuwegein aufgeklärt. Aus den massenspektrometrischen Messungen bei verschiedenen Wellenlängen des Infrarotlasers rekonstruieren sie dann das Schwingungsspektrum für bestimmte Cluster und können daraus deren Struktur ablesen.

Mit ihren Untersuchungen helfen die Berliner Wissenschaftler unter anderem bei der Suche nach einem Katalysator für die Epoxidierung - eine technisch wichtige Reaktion, in der Chemiker Kohlenwasserstoff-Molekülen ein Sauerstoffatom anheften. Das ist oft der erste Schritt zu komplizierteren Molekülen. Ob dabei am Ende das gewünschte Produkt herauskommt, hängt davon ab, wo sich das Sauerstoffatom an den Kohlenwasserstoff hängt. Und genau da könnten Goldcluster als Lotsen dienen.

Originalveröffentlichung: Philipp Gruene, David M. Rayner, Britta Redlich, Alexander F. G. van der Meer, Jonathan T. Lyon, Gerard Meijer, André Fielicke; "Structures of Neutral Au7, Au19, and Au20 Clusters in the Gas Phase"; Science 2008.

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