Nano- und Pikokräfte messen
Neue PTB-Anlage misst Kräfte von einzelnen Zellen und Molekülen
PTB
Kleinste Kräfte bis hinunter zu wenigen Nano- oder gar Pikonewton zu messen ist eine Aufgabe für Mediziner oder Biologen, die einzelne Zellen untersuchen, aber auch für Chemiker, die die Bindungskräfte zwischen einzelnen Molekülen ermitteln wollen. Und auch in der Industrie werden immer mehr Kunststoff-Mikroteile eingesetzt, die beim taktilen Messen mit zu großer Antastkraft leicht verkratzen. Daher ergeben sich neue Anforderungen an die entsprechenden Messgeräte wie Tastschnittgeräte oder Rasterkraftmikroskope: Ihre Tastkräfte müssen immer genauer und zuverlässiger eingestellt werden. Vergleichbare Anforderungen gibt es auch in der Mikroelektronik bei der Bestimmung der Materialeigenschaften von Mikro- und Nano-elektromechanischen Systemen, die zunehmend Einzug in Alltagsprodukte wie Handys, MP3-Player, PC-Peripherie und PKWs halten.
Um derartig kleine Kräfte zu messen, wurde in der PTB ein Prototypsystem entwickelt und erfolgreich erprobt. Sein Messprinzip beruht auf einem Scheibenpendel, das von der zu messenden Kraft ausgelenkt wird. Die Auslenkung wird elektrostatisch mit Hilfe vom äußeren Kondensatorelektroden kompensiert, gemessen wird die aufzuwendende Spannung. Zu dieser elektrostatischen Kraftkompensation kommt die elektrostatische Steifigkeitsreduktion: Indem die Eigensteifigkeit des Pendels von 0,13 N/m auf 0,007 N/m verringert wird, erhöht sich die Empfindlichkeit des Systems. Um störende seismische Schwingungen und thermische Driften zu kompensieren, ist neben dem eigentlichen Messsystem ein zweites, identisches Referenzsystem angebracht.
Erste Langzeitmessungen an Luft über einen Zeitraum von 3 Stunden ergaben ein Rauschen (Standardabweichung) der Messeinrichtung von 160 pN (Tiefpassfiltergrenzfrequenz: 0,02 Hz). Als erste Kraftmessung an der Grenze der Empfindlichkeit des Prototypsystems wurde die Kraft bestimmt, die der Lichtdruck eines He-Ne-Lasers mit einer Leistung von 7 mW ausübt. Der gemessene Wert von 38 pN ist nur um 9 pN kleiner als die (aus Lichtleistung des Lasers und Reflexionsfaktor des Scheibenpendels) berechnete Kraft.
Die neue Anlage ergänzt die kürzlich in Betrieb genommene PTB-Kraftnormalmesseinrichtung zur rückführbaren Kalibrierung von Kräften im mN-Bereich, die auf einem anderen Messprinzip basiert. Sie soll zukünftig noch für die Messung von pN-Kräften optimiert werden, wofür allerdings ihre Empfindlichkeit noch weiter verbessert werden muss. Theoretische Analysen ergaben eine erreichbare Kraftauflösung von 1 pN. Die wesentliche Herausforderung besteht dabei in der Fertigung möglichst identischer Mess- und Referenzscheibenpendelsysteme mit möglichst idealen Oberflächen (Ebenheiten im Bereich von 100 nm). Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Kalibrierung von geeigneten Krafttransfernormalen, die dann in der Industrie zur Kalibrierung kleinster Kräfte eingesetzt werden können.
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