Chemieindustrie kappt Prognose für 2009
Starker Produktionsrückgang erwartet
(dpa-AFX) Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die deutsche Chemieindustrie voll erfasst: Der für 2009 erwartete erste Produktionsrückgang seit sieben Jahren dürfte deutlich stärker als bisher angenommen ausfallen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Utz Tillmann, am Mittwochabend in Frankfurt vor Journalisten. 2009 dürfte die Produktion einer Schätzung zufolge um 3,5 Prozent schrumpfen. Anfang Dezember war noch ein Rückgang um ein Prozent prognostiziert worden. Rechne man die Pharmasparte heraus, schrumpfe die Chemieindustrie um fünf bis sechs (bisher -2,5) Prozent. Der Umsatz dürfte 2009 "deutlich stärker" als die Produktion sinken. Im Dezember hatte der VCI einen Rückgang um 1,5 Prozent prognostiziert. Auch eine Reduzierung der Stammbelegschaft sei nun "nicht mehr auszuschließen".
Die Unternehmen seien für 2009 "überwiegend pessimistisch", sagte Tillmann. Nur konsumnahe Branchen seien optimistischer und erwarteten eine leichte Belebung im weiteren Jahresverlauf. Die Produktion sei zum Jahresende 2008 "dramatisch" abgestürzt. Und auch zu Jahresbeginn sei die Lage "weiterhin schwierig". Ein solcher Einbruch dürfte beispiellos in der Nachkriegszeit sein. Die Lagerbestände hätten sich zwar zum Teil verringert, sie seien aber noch relativ hoch. Auch die Kapazitätsauslastung habe sich im Januar nicht verbessert. Sie sei zuletzt um rund zehn Prozentpunkte auf 75 Prozent eingebrochen. "Dies zeigt, wie dramatisch die Situation ist", sagte Tillmann. Auch die ausländischen Märkte böten keine Kompensation. "Wir sind noch nicht durch die Durststrecke durch."
Auch die Stammbelegschaft ist im Kampf gegen die Krise nun offenbar nicht mehr tabu. Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation schlossen die in einer Umfrage befragten Unternehmen nun auch eine Reduzierung ihrer Stammbelegschaft nicht mehr aus. Noch im Dezember hatten die Unternehmen berichtet, dass die Stammbelegschaft gehalten werden solle. Der neuen Umfrage im Februar zufolge planen die Unternehmen in der Krise einen Ausbau der Kurzarbeit. Darüber hinaus würden flexible Arbeitszeitinstrumente in Anspruch genommen. "Die Kurzarbeit wird sehr positiv aufgenommen", sagte Tillmann. Sie sei aber nicht für alle Anlagen in der Chemie das geeignete Instrument. Dies gelte insbesondere für kontinuierlich laufende Anlagen.
Auch bei der Finanzierung größerer Investitionen stößt die Branche inzwischen offenbar auf mehr Schwierigkeiten. Die Finanzierungsbedingungen hätten sich in den letzten Monaten insgesamt verschlechtert. "Gerade große Unternehmen sind hiervon betroffen", sagte Tillmann. Mittelständische Unternehmen berichteten hingegen teilweise von einer Verbesserung der Kreditvergabe. Bei der letzten Befragung im Dezember hatten die Unternehmen insgesamt noch von kaum veränderten Finanzierungsbedingungen berichtet.
Einer der wenigen Hoffnungsschimmer der Umfrage ist die mit den Konjunkturpaketen verbundene Hoffnung auf eine "allgemein stabilisierende Wirkung" und eine Belebung des Konsums. Bisher profitiere die Branche aber kaum von den verabschiedeten Paketen. Die Mehrzahl der befragten Unternehmen sehe durch die Konjunkturpakete I und II "noch keine unmittelbaren Auswirkungen". Eine Ausnahme seien Unternehmen mit Nähe zum Bau- oder Automobilsektor. Diese profitieren besonders stark von den Paketen. Die befragten Unternehmen plädierten für eine generelle Verbesserung der Standortbedingungen. Dazu zähle eine sichere Energieversorgung, steuerliche Anreize für Innovationen und Planungssicherheit für Investitionen, sagte Tillmann. Auch protektionistische Tendenzen in Europa und weltweit sollten eingedämmt werden.
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