Neuer Zement schont Klima und Ressourcen
Partner unterzeichnen Gründungsvertrag für die Celitement GmbH
Zemente und andere mineralische Bindemittel finden sich nicht nur in Massenbaustoffen wie Beton, sondern auch in zahlreichen Spezialanwendungen wie Putzen und Mörteln, Spachtelmassen und Fliesenklebern, Betonwaren oder keramikähnlichen Werkstoffen. Vier Wissenschaftler vom Institut für Technische Chemie (ITC) des KIT haben die neue Gruppe mineralischer Bindemittel entwickelt, die aufgrund ihrer hervorragenden Eigenschaften das Potenzial haben, den Bindemitteleinsatz in bestehenden Anwendungsfeldern zu verbessern und neue Anwendungsfelder für mineralische Bindemittel zu erschließen. „Möglich wurde dies erst durch den Einsatz der umfangreichen Analytik, die im KIT auf dem Gelände des Forschungszentrums zur Verfügung steht, beispielsweise der Synchrotronstrahlungsquelle ANKA. Dadurch konnten wir viele bisher nicht bekannte Details der Zementchemie entschlüsseln“, sagt Dr. Peter Stemmermann vom ITC, der mit seinen drei Kollegen die Grundidee für den umweltfreundlichen Zement und das neue Verfahren entwickelt hat.
Mittlerweile sind die Zusammensetzung des neuen Zements und die Prozessschritte durch Stoff- und Verfahrenspatente abgesichert und als Marke unter der Bezeichnung „Celitement“ geschützt. „Mit ‚Celitement’ besteht die Aussicht, klassische Zemente zunächst in besonders anspruchsvollen Anwendungsgebieten und Spezialbaustoffen durch ein qualitativ hochwertiges, nachhaltiges Produkt zu ersetzen“, erklärt Dr. Peter Fritz, Vorstand für Energie- und Umweltforschung des Forschungszentrums Karlsruhe und gleichzeitig verantwortlich für Innovation im KIT.
Das Forschungszentrum Karlsruhe hat mit den vier Erfindern und einem Partner aus der Zementindustrie, der SCHWENK-Gruppe, den Gründungsvertrag für die Celitement GmbH unterzeichnet. „Die Gründung einer gemeinsamen Firma mit unternehmerisch denkenden Mitarbeitern, einem renommierten Industrieunternehmen und einer Forschungseinrichtung setzt neue Maßstäbe beim Technologietransfer“, sagt Dr. Hanns-Guenther Mayer von der Stabsabteilung Innovation des KIT, die die Entwicklung des Produkts bis zur Marktreife unterstützt. „Ziel der Gesellschaft ist zunächst die Entwicklung bis zur Marktreife und die Vermarktung von Schutzrechten zu ‚Celitement’.“
Um die technische Umsetzbarkeit der Herstellung und die Anwendung des neuen Baustoffs praktisch zu erproben, wird die Celitement GmbH auf dem Gelände des KIT am Campus Nord (Forschungszentrum Karlsruhe) zunächst eine Pilotanlage errichten. Die Anlage soll bis zu 100 Kilogramm des neuen Bindemittels pro Tag liefern können und dazu dienen, alle Schlüsseltechnologien des neuen Verfahrens bis zur Praxisreife zu entwickeln und zu testen. Sobald die stofflichen und technischen Grundlagen für eine großtechnische Herstellung sichergestellt sind, plant der Industriepartner eine Referenzanlage an einem seiner Produktionsstandorte.
„Im Unterschied zu vielen unrealistischen, sowie ökologisch und ökonomisch mehr als fragwürdigen Ideen, die in letzter Zeit mit dem Argument des Klimaschutzes im Bereich zementähnliche Bindemittel in die Öffentlichkeit getragen wurden, sehen wir hier eine realistische Chance, in überschaubaren Zeiträumen eine wirklich auch ökologisch sinnvolle Alternative zumindest zu einem Teil der klassischen mineralischen Bindemitteln am Markt anbieten zu können“ sagt Dr. Hendrik Möller, bei Schwenk Zement zuständig für den Bereich Produkttechnik.
Der Weg bis zur großindustriellen Umsetzung ist aber noch lang und wird sicher einige Jahre intensiver Entwicklungsarbeit und zahlreiche Praxisversuche mit dem neuen Baustoff erfordern. Dies gilt auch schon für den Einsatz bisheriger Zemente. Die praktische Einführung eines neuen Bindemittels dauert, unabhängig von seinem wirtschaftlichen oder technischen Potenzial, erfahrungsgemäß einige Jahre, da das Versagen von Bauwerken oder Baustoffen für Leib und Leben der Betroffenen, die Umwelt und die beteiligten Unternehmen unter Umständen weit reichende Konsequenzen haben kann. Daher hat der Gesetzgeber schon immer ein besonderes Augenmerk auf alle am Bau beteiligten Bereiche geworfen und ein sehr enges Netz von Gesetzen, Ausführungsbestimmungen und Regelwerken geschaffen, die beachtet werden müssen. Zunächst ist daher eher von einem Einsatz in Spezialanwendungen und gänzlich neuen Anwendungsfeldern auszugehen. „Die Entwicklung wird zeigen, ob der neue Zement langfristig auch im Massenmarkt mit herkömmlichem Zement konkurrieren kann“, sagt Dr. Matthias Achternbosch, Projektleiter am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT, das den Weg des neuen energiesparenden und umweltfreundlichen Zementes von der Innovation bis zur Marktreife begleiten wird.