Radikale im Rückwärtsgang: Chemiker der TU Graz nehmen Mechanismus der Kunststoffherstellung unter die Lupe
Fest und widerstandsfähig: Konkret geht es um die photoinitiierte radikalische Polymerisation, bei der Radikale, also sehr reaktive Teilchen mit ungepaarten Elektronen, mittels Belichtung gebildet werden und damit die Entstehung von sehr widerstandsfähigen Kunststoffen bewirken. "Bisher war man der Auffassung, dass das Wachstum der Polymerketten stetig voranschreitet und erst in einem sehr fortgeschrittenen Stadium durch so genannte Abbruchreaktionen zu einem Ende kommt", sagt Georg Gescheidt-Demner vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der TU Graz. Neue Experimente zeigen aber: Diese Reaktion kann bereits in einem frühzeitigen Wachstumsstadium auch "zurücklaufen" und ist dadurch beeinflussbar und lenkbar. "Man kann sich das so vorstellen, dass das Kettenwachstum den Vorwärtsgang einlegt und gleichzeitig teilweise in den Rückwärtsgang schaltet - und in diesem Reaktionsstadium kann man eingreifen", erklärt Gescheidt-Demner.
Als sehr unerwartet bezeichnet der Wissenschafter diese fundamentale Erkenntnis, die einen bisher nicht berücksichtigten Schritt in den grundlegenden Reaktionen von Polymerisationsprozessen aufzeigt. "Welche Möglichkeiten diese neue Erkenntnis mit sich bringt, ist noch nicht abschätzbar - wir stehen nun ganz am Anfang und haben eine Reihe weiterer Fragen aufgeworfen", so Gescheidt-Demner. Potenzielle Anwendungsmöglichkeiten liegen aber in zahlreichen Bereichen, von verschiedenen Kunststoffen über Klarlackierungen in der Automobilindustrie bis zu Möbelbeschichtungen und Kontaktlinsen.
Originalveröffentlichung: M. Griesser, D. Neshchadin, K. Dietliker, N. Moszner, R. Liska, G. Gescheidt; "Maßgebliche Reaktionsschritte zu Beginn photoinitiierter radikalischer Polymerisationen", Angew. Chem. 2009, 121, 9523-9525
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