Magnetische Kontrolle per Handzeichen

Team entwickelt elektronische „Haut“ für virtuelle Realität

23.01.2018 - Deutschland

Spätestens seit dem Erfolg der Spiele-App Pokémon GO ist vielen Menschen die „Erweiterte Realität“ ein Begriff. Per Computer wird eine Wahrnehmung erzeugt, bei der sich reale und virtuelle Welt vermischen. Bisher beruhten diese Anwendungen hauptsächlich auf optischen Methoden. Physiker des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) konnten mit Kollegen des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) sowie der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) einen ultradünnen, elektronischen Magnetsensor entwickeln, der sich auf der Haut tragen lässt. Allein über die Interaktion mit Magnetfeldern ermöglicht das Gerät, virtuelle und physische Gegenstände berührungslos zu steuern.

D. Makarov

Berührungslos virtuelle Glühbirnen steuern – der ultradünne, elektronische Magnetsensor aus dem HZDR ermöglicht das. Abhängig von den Feldern eines Permanentmagneten werden die Bewegung und die Position der Hand, auf der der Sensor wie eine zweite Haut aufgebracht ist, auf eine virtuelle Skala übertragen, was wiederum die Lichtintensität kontrolliert.

Auf den ersten Blick wirken die kleinen goldglänzenden Elemente wie ein modernes Tattoo. Doch auf der hauchdünnen Folie, die sich an die Handinnenfläche wie eine zweite Haut anschmiegt und mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen ist, befinden sich Sensoren, die den Menschen einen magnetischen sechsten Sinn verleihen könnten. In Zukunft soll es ihnen dadurch ermöglicht werden, Objekte, zum Beispiel Telefone oder Bedienungsanlagen, sowohl in der physischen Welt als auch in Umgebungen der erweiterten oder virtuellen Realität mit bloßen Gesten zu steuern. So schwebt es zumindest Dr. Denys Makarov vom Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR vor.

Erstmals konnten der Physiker und sein Team nun – gemeinsam mit der Gruppe um Prof. Oliver G. Schmidt vom IFW Dresden und Prof. Martin Kaltenbrunner vom Soft Electronics Laboratory am Linz Institute of Technology der JKU – zeigen, dass die ultradünnen und fügsamen Magnetsensoren in Kombination mit einem Permanentmagneten Positionsänderungen eines Körpers im Raum wahrnehmen und verarbeiten können. „Unsere elektronische Haut zeichnet die Bewegungen beispielsweise einer Hand auf, indem sie ihre Position in Verbindung zu den externen Magnetfeldern des Permanentmagneten setzt“, erläutert der Erstautor der Studie Cañón Bermúdez vom HZDR. „Dadurch können wir ihre Rotationen nicht nur digitalisieren und in die virtuelle Welt übertragen, sondern dort sogar Objekte beeinflussen.“ So gelang es den Forschern, eine virtuelle Glühbirne auf einem Computerbildschirm berührungslos zu steuern.

Ein virtuelles Leuchten

Den Permanentmagneten verpackten sie dafür in eine ringförmige Struktur. Verschiedene Winkel ihres tragbaren Sensors zu dieser Quelle unterteilten sie dann in unterschiedliche Regionen, die wiederum mit der Lichtintensität der Glühbirne korrespondierten. „Indem wir die Winkel zwischen 0 und 180 Grad so codierten, dass sie einer typischen Handbewegung beim Dimmen einer Lampe entsprechen, haben wir einen virtuellen Helligkeitsregler kreiert – und ihn nur durch die Bewegung einer Hand über dem Permanentmagneten gesteuert“, beschreibt Makarov einen der Versuche. Auf ähnliche Weise konnten die Forscher auch eine virtuelle Wählscheibe bedienen. Nach Ansicht der Dresdner Physiker könnte sich auf dieser Grundlage eine Alternative zu den bislang verwendeten Verbindungsmethoden zwischen der physischen und der erweiterten oder virtuellen Welt ergeben.

„Die aktuellen Systeme erfassen vor allem über optische Mittel die sich bewegenden Körper, um virtuelle Objekte zu manipulieren“, erzählt Makarov. „Dafür werden zum einen eine große Anzahl an Kameras sowie Beschleunigungsmesser und zum anderen eine schnelle Bilddatenverarbeitung benötigt. Dabei reicht aber meist die Auflösung nicht aus, um auch feine Bewegungen, wie mit den Fingern, zu rekonstruieren. Aufgrund ihrer Sperrigkeit hemmen übliche Handschuhe und Brillen außerdem die Erfahrungen in der virtuellen Realität.“ Die hautähnlichen Sensoren könnten ein besseres Verbindungsstück zwischen Mensch und Maschine sein, schätzt Martin Kaltenbrunner ein: „Da unsere Polymer-Folien nicht einmal drei Mikrometer dick sind, kann man sie leicht am Körper tragen. Nur zum Vergleich: ein normales menschliches Haar ist etwa 50 Mikrometer dick.“

Wie weitere Versuche gezeigt haben, können die Sensoren darüber hinaus starken Verbiegungen und Verkrümmungen standhalten, ohne ihre Funktionalität einzubüßen. Sie eignen sich deshalb nach Meinung von Oliver G. Schmidt für den Einbau in weiche und verformbare Materialien, also etwa Textilien, um tragbare Elektronik zu fertigen. Einen zusätzlichen Vorteil des neuen Ansatzes gegenüber den optischen Systemen sieht Makarov darin, dass keine direkte Sichtverbindung zwischen dem Objekt und den Sensoren benötigt wird. Daraus ergeben sich auch mögliche Anwendungen für die Sicherheitsindustrie. So könnten beispielsweise Knöpfe oder Regler in Räumen, die wegen einer Gefahrensituation nicht betreten werden dürfen, über die Sensoren auch aus der Ferne bedient werden.

Originalveröffentlichung

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