Auf den Spuren der Reibung
Wissenschaftler knacken ein jahrhundertealtes Problem: Neue Perspektiven für das Industriedesign
Reibung ist überall – ein Phänomen, das in jedem „Mechanismus“ auftritt, dessen Teile sich relativ zueinander bewegen – von Motorproteinen in Zellen, bis hin zu den tektonischen Platten der Erde. Gewöhnlich wird Reibung durch das Amontons-Coulomb-Gesetz beschrieben, das behauptet, die Reibkraft sei proportional zur Normalkraft. Hochpräzise technologische Anwendungen erfordern heute aber eine sehr viel genauere Beschreibung. Das seit der Zeit des französischen Physikers Charles Augustin de Coulomb (1736 bis 1806) bekannte Problem blieb für die Forschung über mehr als 230 Jahre eine harte Nuss. Nun knackten Wissenschaftler vom Institut für Mechanik der TU Berlin das „Problem von Coulomb“ mit der neu entwickelten „Generalized Master Curve Procedure".
Reifen, Feinmechanik, Implantate – breite Anwendungsfelder
Basierend auf jahrelanger Erfahrung in der numerischen Simulation von Reibungsprozessen und auf unzähligen experimentellen Untersuchungen entwickelten sie die Methode, die es erlaubt, Reibung in Abhängigkeit von den wichtigsten Parametern Geschwindigkeit, Temperatur und Druck zu beschreiben. „Damit wird es möglich, die Werte des Reibungskoeffizienten in einem breiten Bereich von Temperaturen, Gleitgeschwindigkeiten und normalen Lasten auf der Grundlage eines begrenzten Satzes von Daten vorherzusagen“, erklärt Prof. Dr. Valentin Popov, Leiter des TU-Fachgebiets Systemdynamik und Reibungsphysik. „Unsere Methode eröffnet völlig neue Perspektiven für eine Vielzahl von tribologischen Anwendungen und ihre numerische Simulation. Dazu gehört zum Beispiel die Herstellung von Reifen, die Metallumformung, das Design von mikromechanischen Geräten, die Erhöhung der Lebensdauer von medizinischen Implantaten und vieles mehr.“
Das Fachgebiet von Valentin Popov ist deutschlandweit das einzige, das sich schwerpunktmäßig mit der Physik der Reibungsprozesse befasst. Es umfasst neben der Reibung im engeren Sinne auch Verschleiß, Schmierung, Adhäsion und Kontaktmechanik. So arbeiten die Forscher in einem sehr breiten Forschungsspektrum von der Rasterkraftmikroskopie bis hin zur Erdbebenforschung.
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