Ultrakurze Laserpulse machen Treibhausgas reaktionsfreudig
Spektrometer zeigt Moleküle bei der Arbeit
(c) Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn
Die Natur macht es dem Menschen tagtäglich vor, wie sich auf elegante Weise das Kohlendioxid aus der Luft binden und in einen dringend benötigten Rohstoff umwandeln lässt. Mit ihren grünen Blättern betreiben die Pflanzen bei Lichteinstrahlung Fotosynthese. Aus Kohlendioxid und Wasser entstehen mit Hilfe des Sonnenlichts Sauerstoff und der dringend benötigte Energie- und Baustofflieferant Zucker.
„Diesem Vorbild eifert der Mensch schon lange nach, um Kohlendioxid zum Beispiel auch für die chemische Industrie zu nutzen“, sagt Prof. Dr. Peter Vöhringer vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Bonn. Was das Konzept schwer umsetzbar macht ist, dass sich das Kohlendioxid kaum dazu bewegen lässt, neue Partnerschaften mit anderen Molekülen einzugehen.
Mit seinem Team hat der Physikochemiker nun einen neuen Weg entdeckt, wie das reaktionsträge und schwer zu bindende Treibhausgas in einer sehr reaktionsfreudigen Variante hergestellt werden kann. Die Forscher nutzten einen sogenannten Eisenkomplex: Im Zentrum befindet sich ein positiv geladenes Eisenatom, an dem mehrfach die Bestandteile des Kohlendioxids bereits gebunden sind. Die Wissenschaftler schossen ultrakurze Laserpulse aus ultraviolettem Licht auf diesen Eisenkomplex, wodurch bestimmte Bindungen aufgebrochen wurden. Als Produkt entstand ein sogenanntes Kohlendioxid-Radikal, das auch mit einer gewissen Radikalität neue Verbindungen eingeht.
Solche Radikale verfügen in ihrer äußeren Hülle über ein einzelnes Elektron, das dringend mit einem anderen Molekül oder Atom eine dauerhafte Bindung eingehen möchte. „Es ist dieses ungepaarte Elektron, welches unser reaktionsfreudiges, an das zentrale Eisenatom gebundene Radikal-Anion von dem reaktionsträgen Kohlendioxid unterscheidet und für chemische Prozesse so vielversprechend macht“, erläutert Erstautor Steffen Straub aus Vöhringers Team. Die Radikale könnten wiederum die Grundbausteine für interessante chemische Produkte darstellen, wie zum Beispiel Methanol als Treibstoff oder Harnstoff für chemische Synthesen sowie Salicylsäure als Schmerzmedikament.
Spektrometer zeigt Moleküle bei der Arbeit
Mit ihrem Laser und Infrarotspektrometer, einer großen Apparatur im Keller des Instituts, schauen die Wissenschaftler den Molekülen quasi bei der Arbeit zu. Sie können damit die Verbindungen aus unterschiedlichen Atomen anhand eines „Fingerabdrucks“ identifizieren, indem das Spektrometer die charakteristischen Schwingungen der Moleküle misst. „Bei der Bildung des Kohlendioxid-Radikals innerhalb des Eisen-Komplexes verändern sich die Bindungen zwischen den Atomen, und dadurch verringert sich die Frequenz der für das Kohlendioxid typischen Schwingung“, erklärt Straub.
Mit kriminalistischem Spürsinn wiesen die Wissenschaftler nach, dass durch die Laserpulse tatsächlich das reaktionsfreudige Kohlendioxid-Radikal entsteht. Zunächst simulierte das Team am Rechner die Schwingungsspektren der Moleküle, anschließend verglich es die Berechnungen mit den Messungen - und in der Tat: Simulation und Experiment stimmten sehr gut überein. Wie in einem „Molekülkino“ schoss das Spektrometer „Schnappschüsse“ in der unvorstellbaren zeitlichen Auflösung von Millionstel Milliardstel Sekunden. Anhand der Spektren - die den Einzelbildern eines Films entsprechen - lässt sich deshalb gleichsam in Zeitlupe nachweisen, wie sich der Eisenkomplex unter Laserbeschuss über mehrere Stufen verformt, die Bindungen aufbrechen und schließlich das Radikal entsteht.
„Unsere Ergebnisse haben das Potenzial, die Vorstellungen darüber, wie man das Treibhausgas Kohlendioxid der Atmosphäre entziehen und daraus wichtige chemische Produkte herstellen könnte, grundlegend zu verändern“, sagt Vöhringer. Allerdings müssten für einen großtechnischen Einsatz noch geeignete Katalysatoren entwickelt werden, weil für eine Umwandlung im großen Maßstab Laserpulse nicht effizient seien. „Unsere Ergebnisse liefern jedoch Anhaltspunkte dafür, wie ein solcher Katalysator designt werden müsste“, ergänzt der Wissenschaftler. Die aktuelle Studie sei übergreifend in den wichtigen Schlüsselforschungsbereichen zur Nachhaltigkeit und zugleich zur Materieforschung der Universität Bonn angesiedelt.
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