Effizientere Bewertung von Umweltchemikalien
Neue Technologie-Plattform "CITEPro" startet am UFZ
©Bodo Tiedemann
Das Risiko von chemischen Stoffen für Mensch und Umwelt ist seit Jahrzehnten ein Dauerthema. Immer wieder geraten einzelne Stoffe in das Blickfeld öffentlicher Debatten oder in die Schlagzeilen. Der derzeitige Ansatz, mit dem das Gefahrenpotenzial von Chemikalien bewertet wird, beruht auf Einzelkomponenten. Die reale Welt ist jedoch von multiplen Belastungen mit verschiedenen Komponenten – Chemikaliencocktails – geprägt.
Deshalb empfehlen die Wissenschaftler auch, zum Beispiel die Überwachung der Gewässerqualität von der chemischen Analytik einzelner Schadstoffe wo immer möglich mit effektbasierten Methoden – wie etwa biologischen Wirkungstests – zu ergänzen. So würden alle Stoffe erfasst, die in Mischungen zusammen wirken. Diese biologischen Wirkungstests sind das Herzstück der neuen Forschungsplattform CITEPro.
Hinter CITEPro verbirgt sich kein singuläres Forschungsgroßgerät. Vielmehr besteht es aus mehr als 20 Einzelgeräten, die je nach Fragestellung modular genutzt werden können. Dazu gehören Geräte für die Probenvorbereitung, bei der Chemikaliengemische aus Umweltproben (etwa aus Sedimenten oder Blut) extrahiert, konzentriert und gereinigt werden können. Hinzu kommen hochauflösende analytische Geräte, mit denen Konzentrationen in Umweltproben und in Biotests gemessen werden können und verschiedene Biotestverfahren, die Auskunft über die Wirkung von Chemikalien auf lebende Zellen von Säugetieren, Bakterien und Algen oder ganze Organismen, wie Fischembryonen, geben. Das Besondere der Biotests, die in CITEPro zum Einsatz kommen ist, dass sie mit einer sehr hohen Durchsatzleistung arbeiten können.
Beim Hochdurchsatz-Biotest mit Säugetierzellen etwa stellen Pipettierroboter Verdünnungen von Chemikalien, Mischungen und Umweltproben her – als Einzelproben oder alternativ mit einem auf einer Drucker-Technologie basierenden Dispenser als komplexe Mischungen. Da diese Arbeitsschritte in Mikrotiterplatten stattfinden, verringert sich die für diese Tests erforderliche Probenmenge im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren deutlich. Nach der Übertragung der verdünnten Proben auf die in Mikrotiterplatten ausgesäten Zellen wird der Versuch 24 Stunden inkubiert, um im Anschluss mit einem automatisierten Mikroskop Bilder aufnehmen zu können. Mithilfe von automatischer Bildanalyse kann anschließend die Zytotoxizität der Chemikalien ermittelt werden. Zusätzlich werden nach der Mikroskopie Substrate zu den Zellen hinzugegeben. Sie ermöglichen eine Messung von spezifischen Wirkmechanismen mit einem Plattenlesegerät.
„Wir können künftig also in der gleichen Zeit deutlich mehr Proben analysieren als bislang und uns damit auch bei epidemiologischen Studien und Studien zur Umweltbeobachtung mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung engagieren. Durch die Automatisierung senken wir zudem die Fehlerquote und können Experimente deutlich systematischer durchführen“, benennt Prof. Beate Escher, die Initiatorin von CITEPro, die Vorteile.
Ähnlich effizient lässt sich in CITEPro auch testen, wie sich Chemikalien auf Fischembryonen auswirken – als Alternative zu Tierversuchen. Mit der VAST-Technology (Vertebrate Automated Screening Technology) wird es möglich, Merkmale in Fischembryonen automatisiert zu analysieren. Dabei nimmt das VAST-System die Embryonen aus einer Mikroplatte auf und positioniert diese in einer Kapillare so, dass eine Kamera je nach Bedarf hochaufgelöste (Fluoreszenz)-Bilder und Videos aufnehmen kann. Mithilfe des FishInspectors, einer am UFZ entwickelten Open Source-Software, können dann Bildmerkmale als Zahlen extrahiert werden. Das ermöglicht die Ableitung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen.
„Das sind nur zwei Beispiele. Aber schon sie zeigen, dass CITEPro viel mehr ist als nur eine Ansammlung von Hardware-Geräten. Dahinter steckt das Konzept, Stoffe in der Umwelt nicht mehr Stoff für Stoff, sondern als Mischung zu analysieren, um so Stoffmischungsaktivitäten zu erfassen und zu beschreiben“, fasst Beate Escher noch einmal zusammen, und betont: „Eine solche Infrastruktur ist in Deutschland im Bereich der Umweltwissenschaften einmalig und auch in Europa eine Seltenheit“. Mit der neuen Plattform will sie künftig weitere Forschungskooperationen initiieren – innerhalb des UFZ, national und international, mit Forschungseinrichtungen und der Industrie.