CO²-arme und flexible Kraftwerke

Forschungsprojekt von ThyssenKrupp VDM, RWE Power und Fraunhofer-Institut simuliert Dauerbelastung für neue Hochleistungs-Werkstoffe

13.04.2010 - Deutschland

Effizienzsteigerung, CO²-Minderung und gesteigerte Flexibilität sind die Herausforderungen für Kohlekraftwerke neuer Generation. Die 700-Grad-Technologie ist dafür ein wichtiger Schlüssel. Durch neue Werkstoffe sollen zukünftig extrem hohe Dampftemperaturen im Kessel und der Turbine möglich werden und so eine Effizienzsteigerung herbeiführen, die letztlich zu einer erheblichen CO²-Reduktion führt. Um die Werkstoffe möglichst schnell für den Einsatz in diesen Kraftwerken zu qualifizieren, haben ThyssenKrupp VDM und RWE Power vor zwei Jahren eine Kooperation vereinbart und ein Forschungsprojekt beim Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik in Freiburg beauftragt: Hochleistungs-Werkstoffe werden in Laborexperimenten für neue Werkstoffmodelle charakterisiert, so dass das Verhalten von extrem belasteten Bauteilen mit Simulationsrechnungen vorausgesagt werden kann. Nachdem das Projekt jetzt seine zweite Phase erreicht hat, sind alle Partner zuversichtlich, dass dieses Forschungsvorhaben einen wesentlichen Beitrag zur schnelleren Weiterentwicklung neuer Werkstoffe und Einführung neuer Kraftwerks-Technologie leisten wird.

Der Schwerpunkt der bisherigen Untersuchungen am Fraunhofer IWM liegt bei einer speziellen Nickellegierung. Zum einen wird dieser Hochleistungs-Werkstoff im Labor auf verschiedene Temperaturen erhitzt und dabei abwechselnd auf Zug und Druck belastet. Zum anderen beobachtet man die Mikrostruktur des Werkstoffs. Die hier befindlichen Karbide, sehr kleine Teilchen innerhalb dieser Struktur, beeinflussen maßgeblich, wie sich der Werkstoff verformen lässt. Durch die hohen Temperaturen, die das Material im Betrieb des Kraftwerks erfährt, wachsen die Karbide und können den Werkstoff schwächen. „Je besser wir verstehen, wie sich der Werkstoff unter den hohen Belastungen verändert, desto zuverlässiger werden die Simulationsmethoden sein, die wir dann direkt zur Lebensdauervorhersage von kritischen Kraftwerkskomponenten anwenden können" erläutert Dr. Thomas Seifert, Leiter „Lebensdauerkonzepte, Thermomechanik“ im Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM.

Alle Partner bringen in das Projekt ihr spezielles Fachwissen ein: Die ThyssenKrupp VDM stellt ihre Werkstoffkompetenz bei der Herstellung und Verarbeitung von Nickellegierungen zur Verfügung, das Fraunhofer-Institut führt Laborversuche zur Werkstoffcharakterisierung durch und entwickelt die Werkstoffmodelle und RWE Power wertet Belastungsprofile von Kraftwerkskomponenten und Betriebserfahrung hinsichtlich einer optimierten Werkstoffnutzung aus.

„Für die weitere Reduktion von CO²-Emissionen sind neue Kraftwerkstechnologien mit höheren Wirkungsgraden dringend erforderlich", erklärt Dr. Jutta Klöwer, Leiterin Forschung und Entwicklung bei ThyssenKrupp VDM. „Da diese sich nur mit höheren Dampftemperaturen zum Beispiel in 700-Grad-Kraftwerken erzielen lassen, müssen andere Werkstoffe eingesetzt werden." Diese speziellen Nickellegierungen für Kesselrohre oder Turbinenteile werden von der ThyssenKrupp VDM entwickelt und hergestellt. „Die Simulationsrechnungen helfen uns bei der Konstruktion von kritischen Bauteilen die Geometrie und die Belastungsbedingungen zu optimieren und zudem bei der Wartung sinnvolle Intervalle und Prüf-Orte festzulegen", sagt Dr. Ralf Mohrmann aus dem Bereich Quality and Organisation bei RWE Technology. „So lässt sich ermitteln, welche Komponenten abhängig vom Kraftwerkseinsatz vorzeitig ausgetauscht werden müssen." Der Vorteil: Die Forscher können mögliche Schwachstellen in der Bauteilgeometrie bereits im Vorfeld aufdecken und alternative Lösungen erarbeiten; der Bau umweltschonenderer und flexibler Kraftwerke wird dadurch beschleunigt.

Bis Mitte dieses Jahrzehnts will RWE Power bei der Kohleverstromung mit Hilfe der neu entwickelten Werkstoffe Wirkungsgrade von über 50 Prozent erreichen. „Damit leisten hochmoderne konventionelle Kraftwerke einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele und ermöglichen durch ihre erhöhte Flexibilität erst den Ausbau der erneuerbaren Energien, die unter starken Schwankungen Strom ins Netz liefern“, so Dr. Johannes Heithoff, Leiter Forschung und Entwicklung der RWE Power.

„Wir betreten mit Computersimulationen in diesem Anwendungsbereich absolutes Neuland. Durch solche Berechnungen können sich die Qualifizierungsarbeiten für neue Werkstoffe erheblich verkürzen", so Dr. Jutta Klöwer. „Sie helfen uns, schneller höhere Wirkungsgrade der Kraftwerke zu erreichen und damit einen positiven Beitrag zum Umweltschutz zu leisten."

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