Chemikern gelingt Herstellung neuartiger Lewis-Supersäuren
Erstmals Synthese auf Phosphor-Basis
© Dielmann group
Als Lewis-Säuren werden in der Chemie Verbindungen bezeichnet, die das Bestreben haben, Elektronenpaare anzulagern. Aufgrund dieser sogenannten Elektrophilie werden sie häufig eingesetzt, um chemische Reaktionen zu beschleunigen. Ein Beispiel hierfür ist die Herstellung von Polyurethan-Kunststoffen, aus denen Schaumstoffe für die Gebäudedämmung, Autositze oder Haushaltsschwämme produziert werden.
„Wir verwenden spezielle Substituenten, die die Elektrophilie des Phosphor-Atoms regulieren. Dadurch lässt sich die Reaktivität der Verbindungen etwas reduzieren, sodass sie als kristalline Feststoffe isoliert werden können. Das ist ein wichtiger Fortschritt auf dem Gebiet der Lewis-Säurechemie“, betont Dr. Fabian Dielmann, der eine Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe an der WWU leitet. Bisher sind nur wenige Lewis-Supersäuren mit ähnlich hoher Elektrophilie synthetisiert worden. Allerdings unterscheiden sie sich in ihrer Reaktivität von den neuartigen Phosphorverbindungen. Letztere ermöglichen neue Aktivierungsmechanismen für die Umwandlung besonders reaktionsträger Moleküle, was ihre Einsatzmöglichkeiten in der Synthesechemie erweitert.
Hintergrund, Methode und Ausblick
Die Entwicklung hochgradig elektrophiler Verbindungen hat gerade in jüngster Zeit den Weg für viele wichtige Fortschritte auf dem Gebiet der Lewis-Säurechemie geebnet. Für lange Zeit bestand die Annahme, dass derartige Verbindungen in kondensierter Phase nicht in freier Form existieren können. Erst durch die geschickte Wahl von voluminösen Substituenten und die Verwendung schwach-koordinierender Gegenionen gelang den Chemikern J. B. Lambert und C. A. Reed im Jahr 2002 die erstmalige Isolierung dreibindiger Siliziumionen. Fast zwei Jahrzehnte nach diesem Durchbruch zeigt die Arbeit der Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Dielmann nun – entgegen der bisheriger Annahmen – dass auch die Synthese strukturell ähnlicher Lewis-Supersäuren auf Phosphor-Basis möglich ist.
Da die Phosphor-Supersäuren ausgesprochen reaktionsfreudig sind, muss der Umgang mit ihnen unter Ausschluss von Luft und Feuchtigkeit erfolgen. Nach der Herstellung wurden die Verbindungen als weiße kristalline Feststoffe gewonnen und ihre Eigenschaften NMR-spektroskopisch, massenspektrometrisch und mittels der Einkristall-Röntgenstrukturanalyse untersucht. Zum Verständnis der elektronischen Struktur und zur Berechnung der Elektrophilie führten die Chemiker quantenmechanische Rechnungen durch.
Mit ihrer Arbeit stellen die Chemiker der WWU eine Methodik vor, wie sich extrem elektrophile Verbindungen durch die Verwendung spezieller Substituenten stabilisieren lassen. Sie gehen davon aus, dass die Übertragung des zugrundeliegenden Verfahrens auf andere bisher als „nicht existenzfähig“ eingestufte Verbindungsklassen, die Herstellung weiterer hochgradig elektrophiler Verbindungen vorantreiben wird.
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