Graphen: Wozu Buckel und Höcker gut sein können
Forscher aus Hannover und Braunschweig messen, wie sich die elektronischen Eigenschaften von Graphen mit Hilfe von gezielt eingesetzten Rauigkeiten steuern lassen
Graphen ist zurzeit wohl das weltweit am meisten untersuchte neue Materialsystem. Aufgrund seiner erstaunlichen mechanischen, chemischen und elektronischen Eigenschaften verspricht es vielfältige zukünftige Anwendungen - etwa in der Mikroelektronik. Die Elektronen im Graphen sind besonders beweglich und könnten deshalb das heute verwendete Silicium als Ausgangsmaterial schneller Computerchips ersetzen. In einer Forschungskooperation haben Wissenschaftler der Leibniz Universität Hannover und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) jetzt untersucht, wie sich eine raue Unterlage auf die elektronischen Eigenschaften der Graphenschicht auswirkt. Ihre Ergebnisse lassen vermuten, dass man Plasmonen, also kollektive Schwingungen von Elektronen, im Graphen bald gezielt steuern kann, indem man ihnen aus Buckeln und Höckern quasi eine Fahrspur baut.
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Beugungsreflexe einer Graphenlage (grün: hohe Intensität). Aufgrund einer Restwechselwirkung mit dem SiC-Substrat kommt es zur Ausbildung der sechszähligen Satellitenreflex-Struktur.
Christoph Tegenkamp, Leibniz Universität Hannover
Bereits die Struktur von Graphen ist faszinierend: Es besteht aus genau einer einzigen, geordneten Schicht von Kohlenstoffatomen. Diese unglaublich dünne Schicht auch wirklich sauber herzustellen ist eine große Herausforderung. Eine mögliche Methode, um großflächig Graphen auf einem isolierenden Substrat abzuscheiden, ist die Epitaxie, also das kontrollierte Wachstum von Graphen auf isolierendem Siliciumcarbid. Dafür wird ein Siliciumcarbidkristall im Vakuum erhitzt. Ab einer bestimmten Temperatur wandern Kohlenstoffatome an die Oberfläche und bilden eine einatomare Schicht auf dem noch festen Siliciumcarbid. Eine wichtige Frage für spätere Anwendungen ist dabei, wie sich Defekte und Stufen der Siliciumcarbidoberfläche auf die elektronischen Eigenschaften des darauf gewachsenen Graphens auswirken.
Im Rahmen einer Forschungskooperation der PTB und der Leibniz Universität Hannover wurde nun der Einfluss von Defekten im Graphen auf die elektronischen Eigenschaften untersucht. Besonderes Augenmerk der Untersuchungen lag dabei auf dem Einfluss der Defekte auf eine spezielle elektronische Anregung, die sogenannten Plasmonen.
Durch unterschiedliche Probenpräparation wurden zunächst Siliciumcarbidkristalle mit unterschiedlicher Oberflächenrauigkeit und damit unterschiedlicher Konzentration von Oberflächendefekten präpariert, auf denen sich anschließend Graphen gebildet hat. Der Einfluss der Defekte auf die Plasmonenanregungen wurde dann mittels niederenergetischer Elektronenbeugung (SPA-LEED) und Elektronenverlustspektroskopie (EELS) untersucht.
Dabei zeigte sich eine starke Abhängigkeit der Lebensdauer des Plasmons von der Oberflächenbeschaffenheit. Defekte, wie sie an Stufenkanten und Korngrenzen entstehen, hemmen die Ausbreitung der Plasmonen stark und führen zu einer drastischen Verkürzung ihrer Lebensdauer. Dabei ist bemerkenswert, dass die sonstigen elektronischen Eigenschaften der Plasmonen, insbesondere ihre Dispersion, weitgehend unbeeinflusst bleiben.
Dies eröffnet interessante Möglichkeiten für die zukünftige technische Anwendung und Nutzung von Plasmonen (die sogenannte "Plasmonik") in Graphen. Durch gezieltes lokales Einstellen der Oberflächenrauigkeit könnten verschiedene Graphenbereiche erzeugt werden, in denen die Plasmonen entweder stark gedämpft werden oder sich praktisch ungehindert ausbreiten können. Damit könnten die Plasmonen entlang von "Plasmonenleiterbahnen" mit niedriger Oberflächenrauigkeit gezielt von einer Stelle eines Graphen-Chips zu einer anderen geleitet werden.
Originalveröffentlichung: T. Langer, J. Baringhaus, H. Pfnür, H. W. Schumacher und C. Tegenkamp; "Plasmon damping below the Landau regime: the role of defects in epitaxial graphene"; New Journal of Physics 12, 033017 (2010)
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