Temperatur reguliert Abperleffekt von gesprühten Latexoberflächen

Eigenschaften sind essenziell für Sprüh-Herstellungsverfahren und Druckindustrie

17.04.2020 - Deutschland

Ein schwedisch-deutsches Forschungsteam hat an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III erforscht, wie sich Oberflächenbeschichtungen mit neuartigen Latex-Nanoteilchen wasseranziehend oder wasserabstoßend herstellen lassen. Die Beeinflussung der Benetzbarkeit von Oberflächen während der Produktion ist für viele Bereiche wichtig, von der Druckindustrie bis zu Polymersolarzellen.

Advanced Functional Materials CC-BY 4.0

Durch Hitze deformierte Latexnanopartikel werden durch Röntgenlicht sichtbar gemacht.

Fast jeder kennt den Effekt, dass Wassertropfen auf bestimmten Oberflächen sofort verlaufen, auf anderen, zum Beispiel dem Lotosblatt oder wasserabweisender Funktionskleidung, vollständig abperlen. Wie stark Flüssigkeiten von Oberflächen abperlen, gibt die sogenannte Benetzbarkeit an. Gemessen wird sie durch den Winkel, mit dem Flüssigkeitstropfen an die Oberfläche anschließen, dem sogenannten Kontaktwinkel. Je größer der Kontaktwinkel, desto wasserabweisender ist die Oberfläche. Inzwischen gibt es schmutz- und wasserabweisende Farben, die den Lotoseffekt ausnutzen.

Aktuell forscht die Wissenschaft an neuartigen Plastiksolarzellen, die durch das schichtweise Aufsprühen von aktiven Materialien aus Nanopartikeln auf eine Trägerfolie hergestellt werden können. Entscheidend für die Energieeffizienz solcher Solarzellentypen ist eine verlässliche Dicke und Tragfähigkeit der einzelnen Schichten. Diese hängen direkt von der Benetzbarkeit der jeweils darunter liegenden Oberfläche ab.

An PETRA III hat das schwedisch-deutsche Team jetzt entdeckt, wie sich die Benetzbarkeit einer gesprühten Oberfläche durch Temperaturbehandlung präzise einstellen lässt. Die Wissenschaftler nutzten für ihre Untersuchungen sogenannte Core-Shell-Latexpartikel. Sie sind ähnlich aufgebaut wie eine winzige Rumkugel, bestehend aus einem Kunststoff-Kern, der von kleineren Latexteilchen umgeben ist. In einem speziellen Herstellungsverfahren stellte das Team vier verschiedene Arten dieser Nanopartikel her: Während die Hülle bei allen Partikeln gleich war, wurden zwei verschiedene Kunststoffe als Basis zur Herstellung des Kerns verwendet. Die Partikel aus den zwei Sorten Basismaterial stellten die Forscher jeweils in zwei Größen (30 - 40 Nanometer und 80 – 100 nm) her; die Größe der Kugeln entspricht auch deren Polymerisationsgrad, ein Maß für die Länge der Kunststoffmolekülketten, das auch die Festigkeit des Kerns beschreibt.

Das Team sprühte jeweils sehr dünne Schichten der verschiedenen Nanopartikelsorten auf ein Trägermaterial aus Silizium und untersuchte live mit dem Röntgenlicht von PETRA III, wie sich die Nanostruktur der verschieden zusammengesetzten Latexpartikel durch das Erhitzen veränderte. Die Forscher variierten die Temperatur in fünf Stufen von 20 bis auf 140 Grad Celsius. Im Anschluss an die jeweils mindestens einstündigen Heizphasen wurde die Oberflächenstruktur der Proben auch mit Hilfe von Elektronenmikroskopen abgebildet und dabei der Kontaktwinkel aufliegender Tropfen gemessen.

Die Polymere organisieren sich ab einer Temperatur von ca. 70 Grad sehr deutlich und reproduzierbar neu, durch Ausdehnung, Domänenbildung, Durchmischung und Verschmelzung. Dies ist insbesondere während der Trocknungsphase der Latexpolymer-Schicht der Fall. Die kleineren Nanopartikel und diejenigen mit einem kurzkettigen, weicheren Kern zeigen dabei deutlichere Änderungen als die großen, hartkernigen. Nach der vollständigen Austrocknung bleiben sie auch bei langer Temperaturbehandlung über 100 Grad stabil. Dies erklären sich die Forscherinnen und Forscher mit der Beweglichkeit der Moleküle in der Flüssigphase.

„Wir wollen die Wasserfreundlichkeit der Oberflächen durch eine Temperaturbehandlung exakt einstellen, aber auch die Art und Größe der Latexpartikel für Anwendungen bei bestimmten Arbeitstemperaturen optimieren“, sagt DESY-Wissenschaftler Stephan Roth, der die PETRA-Strahlführung P03 leitet. Einsatzgebiete für diese Art von Sprühherstellung sind neuartige Kunststoff-Solarzellen, aber auch nanostrukturierte Sensoren oder Spezialtinte für Reliefdruck.

Die vorgestellten Ergebnisse bieten zudem interessante Erkenntnisse für die Herstellung gesprühter Materialien in industriellen Prozessen. Calvin Brett von der Königlich-Technischen Hochschule Stockholm (KTH) erklärt: „Um schnelle Trocknungszeiten in der Industrie zu erzielen, werden die zu beschichteten Materialien in der Regel aufgeheizt. Wenn dies allerdings schon die Funktion des aufzubringenden Materials ändert, hat dies einen direkten Einfluss auf die Herstellung.“

Eva Malmström Jonsson, die die Untersuchungen von Seiten der KTH aus leitete, betont das große Potenzial der weiteren Forschung an PETRA III: „Durch die Kombination unserer Fachgebiete haben wir die Möglichkeit, neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich kolloidale Partikel auf einer Oberfläche verhalten und wie wir die Eigenschaften durch präzises chemisches Design maßschneidern können.“

Originalveröffentlichung

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