Nanodiamanten vollständig integriert kontrollieren

Physiker setzen diamantenbasierte Quantensysteme in nanophotonischen Schaltkreisen ein

25.11.2020 - Deutschland

Durch moderne Technik ist es heutzutage möglich, Strukturen im Größenbereich von wenigen Nanometern herzustellen. Diese Welt der kleinsten Teilchen – auch Quantensysteme genannt – finden vielfältige technologische Anwendung; unter anderem in der Magnetfeld-Sensorik, der Informationsverarbeitung, der sicheren Kommunikation oder in ultragenauen Uhren. Die Herstellung von mikroskopisch winzigen Strukturen ist so weit fortgeschritten, dass sie Maße unterhalb der Wellenlänge des Lichts erreichen. Auf diese Weise wird es möglich, die bisherigen Grenzen der Optik zu überwinden und die Quanteneigenschaften des Lichts nutzbar zu machen. Die Nanophotonik ist somit ein wichtiger Zugang zu Quantentechnologien.

© P. Schrinner/AG Schuck

Nanophotonische Integration zur gleichzeitigen Kontrolle vieler quantenmechanischer Spins in Nanodiamanten.

Da sich einzelne Photonen im Quantenbereich bewegen, sprechen Wissenschaftler bei den entsprechenden Lichtquellen von Quantenemittern, die unter anderem in Nanodiamanten eingebettet sein können. Diese besonderen Diamanten sind durch ihre geringe Partikelgröße gekennzeichnet, die zwischen wenigen und einigen hundert Nanometern betragen kann. Wissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) ist es jetzt erstmals gelungen, Nanodiamanten vollständig in nanophotonischen Schaltkreisen zu integrieren und gleichzeitig optisch zu adressieren. Dabei wird grünes Laserlicht gezielt zu Farbzentren in den Nanodiamanten geführt und die dort erzeugten roten einzelnen Photonen in ein Netzwerk von optischen Bauelementen gesendet. Dadurch können die Wissenschaftler Quantensysteme vollständig integriert kontrollieren. Die Forschungsergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Nano Letters“ erschienen.

Hintergrund und Methodik

Bislang waren aufwendige Mikroskop-Aufbauten nötig, um diamantenbasierte Quantensysteme zu kontrollieren. Mit Fabrikationstechniken, die der Chip-Herstellung von Computerprozessoren ähneln, kann eine vergleichbare Lichtführung mit Wellenleitern (Nanofasern) auf einem Silizium-Chip realisiert werden. Diese Nanometer großen Lichtwellenleiter wurden mit dem Elektronenstrahl Lithografen und der Reaktiven Ionenätz-Anlage der Münster Nanofabrication Facility (MNF) hergestellt. „Bei uns ist der Versuchsaufbau auf ein paar hundert Quadratmikrometer zusammengeschrumpft. Das bringt nicht nur Platzvorteile in Hinsicht auf zukünftige Anwendungen mit Quantensystemen in großen Stückzahlen, sondern erlaubt erstmals die Kontrolle mehrerer solcher Quantensysteme gleichzeitig“, erläutert Juniorprofessor Dr. Carsten Schuck vom Physikalischen Institut der WWU, der die Studie mit Juniorprofessorin Dr. Doris Reiter aus der Festkörpertheorie leitete.

In Vorarbeiten für die aktuelle Studie haben die münsterschen Wissenschaftler geeignete Schnittstellen zwischen den Nanodiamanten und nanophotonischen Schaltungen entwickelt. Diese Schnittstellen wurden in den neuen Experimenten angewendet und setzen die Kopplung von Quantenemittern an Wellenleitern besonders effektiv um. Bei den Experimenten machten sich die Physiker den sogenannten Purcell-Effekt zunutze, der dafür sorgt, dass der Nanodiamant die einzelnen Photonen anstatt in eine zufällige Richtung mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit in den Wellenleiter abstrahlt.

Den Wissenschaftlern gelang es darüber hinaus, zwei Magnetfeld-Sensoren, die auf den integrierten Nanodiamanten basieren, parallel auf einem Chip zu betreiben, was bisher nur einzeln beziehungsweise nacheinander möglich war. Um das zu ermöglichen, haben die Forscher die integrierten Nanodiamanten mit Mikrowellen bestrahlt und somit gezielt den Quantenzustand (Spin) der Farbzentren verändert. Die Ausrichtung des Spins beeinflusst die Helligkeit des Nanodiamanten, welche anschließend mit Hilfe der optischen Zugänge ausgelesen wurde. Die Frequenz der Mikrowellenstrahlung, bei der Helligkeitsunterschiede zu beobachten sind, hängt von dem Magnetfeld am Ort des Nanodiamanten ab. „Die hohe Empfindlichkeit zu einem lokalen Magnetfeld erlaubt es Sensoren zu bauen, mit denen man einzelne Bakterien und sogar einzelne Atome detektieren kann“, erklärt der Erstautor der Studie, Philip Schrinner.

Als erstes berechneten die Wissenschaftler die nanophotonischen Schnittstellen-Designs mit 3-D-Simulationen und ermittelten somit die optimalen Geometrien. Anschließend fügten sie diese Bauelemente in eine photonische Schaltung zusammen. Nachdem die Nanodiamanten mit einer angepassten Technik integriert und charakterisiert worden waren, führte das Team die quantenmechanischen Messungen mit einem eigens dafür konstruierten Aufbau durch.

„Das Arbeiten mit diamantenbasierten Quantensystemen in nanophotonischen Schaltkreisen erlaubt einen neuen Zugang, da man nicht mehr durch die Mikroskop-Aufbauten limitiert ist. Durch unser Verfahren wird man zukünftig in der Lage sein, eine große Anzahl dieser Quantensysteme auf einem Chip gleichzeitig zu kontrollieren und auszulesen“, betont Doris Reiter. Die Arbeit ermöglicht weitere Studien im Bereich der Quantenoptik, bei denen die Nanophotonik eingesetzt werden kann, um die photo-physikalischen Eigenschaften der Diamantemitter zu verändern. Darüber hinaus ergeben sich neue Anwendungsmöglichkeiten in der Quantensensorik und Quanteninformationsverarbeitung.

Die nächsten Schritte umfassen die Realisierung von Quantensensoren im Bereich der Magnetfeld-Messtechnik, wie sie etwa bei Materialuntersuchungen von Halbleiterbauelementen oder Hirnscans eingesetzt werden. "Dazu wollen wir eine große Anzahl von Sensoren auf einem Chip integrieren, die dann alle gleichzeitig ausgelesen werden und so nicht nur das Magnetfeld an einem Ort erfassen, sondern direkt Magnetfeld-Verläufe im Raum sichtbar machen können“, kündigt Carsten Schuck an.

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