Licht aus Seltenerdmolekülen
Neuartiges Material mit vielversprechenden Eigenschaften für Quantencomputer und -netzwerke entdeckt
Christian Grupe, KIT
Quanteninformation wird nicht nur die Forschung und die Industrie, sondern letztlich auch unser Alltagsleben revolutionieren: Sie verspricht unter anderem enorme Fortschritte bei der Simulation von Materialien und Prozessen, was beispielsweise die Entwicklung neuer Arzneimittel, die Verbesserung von Batterien, die Verkehrsplanung sowie sichere Information und Kommunikation voranbringen kann. Ein Quantenbit (Qubit) kann sich gleichzeitig in vielen verschiedenen Zuständen zwischen 0 und 1 befinden. Diese sogenannte Quantensuperposition ermöglicht, Daten massiv parallel zu verarbeiten. Dadurch steigt die Rechenleistung von Quantencomputern gegenüber digitalen Computern exponentiell. Um Rechenoperationen durchführen zu können, müssen die Überlagerungszustände eines Qubit allerdings eine gewisse Zeit lang bestehen. Die Quantenforschung spricht von Kohärenzlebensdauer. Kernspins, das heißt Drehimpulse der Atomkerne, in Molekülen ermöglichen Überlagerungszustände mit langen Kohärenzlebensdauern. Denn die Kernspins sind gut von der Umgebung abgeschirmt, sodass sie die Qubits vor störenden äußeren Einflüssen schützen.
Effektive Licht-Kernspin-Schnittstelle
„Um praktische Anwendungen zu ermöglichen, müssen wir Quantenzustände speichern, verarbeiten und verteilen können“, erklärt Professor Mario Ruben, Leiter der Forschungsgruppe Molecular Quantum Materials am Institut für Quantenmaterialien und -technologien (IQMT) des KIT sowie des European Center for Quantum Sciences – CESQ an der Universität Straßburg. „Dazu haben wir nun ein vielversprechendes neuartiges Material identifiziert: ein kernspinhaltiges Europium-Molekül, das zu den Metallen der Seltenen Erden gehört.“ In einer in der Zeitschrift Nature erschienenen Publikation stellen Forschende um die Professoren Mario Ruben und David Hunger vom IQMT des KIT sowie Dr. Philippe Goldner von der École nationale supérieure de Chimie de Paris (Chimie ParisTech – PSL University; Centre national de la recherche scientifique, CNRS) das innovative Material vor.
Das Molekül ist so aufgebaut, dass es bei Laseranregung Lumineszenz zeigt, das heißt Lichtteilchen aussendet, welche die Kernspininformation tragen. Durch gezielte Laserexperimente lässt sich damit eine effektive Licht-Kernspin-Schnittstelle schaffen. Die vorliegende Arbeit zeigt die Adressierung von Kernspinniveaus mithilfe von Photonen, die kohärente Speicherung von Photonen sowie die Ausführung erster Quantenoperationen.
Hohe Dichte an Qubits
Um nützliche Quantenoperationen durchzuführen, bedarf es vieler Qubits, die miteinander quantenmechanisch verbunden werden. Für diese Verschränkung müssen die Qubits miteinander wechselwirken können. Die Forschenden aus Karlsruhe, Straßburg und Paris weisen in ihrer Arbeit nach, dass sich die Europium-Ionen in den Molekülen über elektrische Streufelder so miteinander koppeln können, dass künftig Verschränkung und damit Quanteninformationsverarbeitung möglich wird. Da die Moleküle atomgenau aufgebaut sind und sich in exakten Kristallen anordnen, lässt sich eine hohe Qubit-Dichte erreichen.
Ein weiterer für praktische Anwendungen entscheidender Aspekt ist die Adressierbarkeit der einzelnen Qubits. Mit optischer Adressierung lässt sich die Auslesegeschwindigkeit steigern, lassen sich störende elektrische Zuführungen vermeiden, und durch Frequenzseparation lässt sich eine Vielzahl von Molekülen individuell adressieren. Die vorliegende Arbeit erreicht gegenüber früheren Arbeiten eine rund tausendfach verbesserte optische Kohärenz in einem molekularen Material. Damit lassen sich Kernspinzustände gezielt optisch manipulieren.
Ein Schritt hin zum Quanteninternet
Licht eignet sich auch dazu, Quanteninformation über größere Distanzen zu verteilen, um beispielsweise Quantenrechner miteinander zu verknüpfen oder Informationen abhörsicher zu übertragen. Durch Integration des neuartigen Europium-Moleküls in photonische Strukturen zur Verstärkung der Übergänge könnte auch dies in Zukunft möglich sein. „Unsere Arbeit bildet einen wichtigen Schritt hin zu Quantenkommunikationsarchitekturen mit seltenerdbasierten Molekülen als Grundlage für ein Quanteninternet“, sagt Professor David Hunger vom IQMT des KIT.