Wasseraufbereitung: Licht hilft beim Abbau von Hormonen

Titandioxid beschichtete Polymermembranen zur photokatalytischen Reinigung

21.04.2022 - Deutschland

Bei Mikroverunreinigungen im Wasser handelt es sich häufig um Hormone, die sich in der Umwelt ansammeln und sich negativ auf Menschen und Tiere auswirken können. Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und am Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung (IOM) in Leipzig haben ein Verfahren zum photokatalytischen Abbau dieser Verunreinigungen im Durchfluss durch Polymermembranen entwickelt und in der Zeitschrift Nature Nanotechnology vorgestellt. Durch Bestrahlung mit Licht, das eine chemische Reaktion auslöst, werden Steroidhormone auf den mit Titandioxid beschichteten Membranen zersetzt.

Markus Breig, KIT

Photokatalytische Membranfiltrationsanlage mit Sonnensimulator. Die Membranen sind mit Titandioxid beschichtet.

Überall wo Menschen leben, gelangen Hormone, wie sie in Arzneimitteln zur Empfängnisverhütung und in der Landwirtschaft eingesetzt werden, in das Abwasser. Steroidhormone wie Sexualhormone und Corticosteroide können sich in der Umwelt ansammeln und sich negativ auf Menschen und Tiere auswirken, indem sie die Verhaltensentwicklung und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. Sexualhormone können beispielsweise dazu führen, dass männliche Fische weibliche Geschlechtsmerkmale entwickeln. Umso wichtiger ist es, neben anderen Mikroverunreinigungen auch Hormone aus dem Abwasser zu entfernen, bevor diese in den natürlichen Wasserkreislauf zurückgelangen, aus dem wiederum das Trinkwasser kommt. „Die Menschen mit sauberem Trinkwasser zu versorgen, gehört weltweit zu den wichtigsten Herausforderungen der Gegenwart“, sagt Professorin Andrea Iris Schäfer, Leiterin des Institute for Advanced Membrane Technology (IAMT) des KIT. „Spurenschadstoffe sind eine enorme Bedrohung für unsere Zukunft, da sie unsere Fruchtbarkeit und Gehirnfunktion beeinträchtigen.“

Inspiration aus der Solarzellentechnologie

Schäfer befasst sich seit Jahren mit der Wasseraufbereitung über Nanofiltration. Dazu setzt sie Polymermembranen mit nanometerkleinen Poren ein. Allerdings arbeitet die Nanofiltration mit hohem Druck und benötigt daher viel Energie. Außerdem kann es passieren, dass sich Mikroverunreinigungen in den polymeren Membranmaterialien ansammeln und allmählich in das gefilterte Wasser übergehen. Selbst wenn die Entfernung der Verunreinigungen vollständig gelingt, entsteht dabei ein Strom mit konzentrierten Schadstoffen, der weiterbehandelt werden muss.

Inspiriert von der Solarzellentechnologie, mit der sich der ebenfalls am KIT tätige Professor Bryce S. Richards befasst, kam Schäfer auf die Idee, Polymermembranen mit Titandioxid zu beschichten und photokatalytische Membranen zu entwickeln: Photokatalytisch aktive Titandioxid-Nanopartikel werden auf Mikrofiltrationsmembranen aufgebracht, deren Poren etwas größer sind als bei der Nanofiltration. Durch Bestrahlung mit Licht, das eine chemische Reaktion auslöst, werden Steroidhormone auf den Membranen zersetzt. Nun hat Schäfer ihre Idee mit ihrem Team am IAMT des KIT und mit Kolleginnen am Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung (IOM) in Leipzig verwirklicht und die neue Technologie in der Zeitschrift Nature Nanotechnology vorgestellt.

Katalysator für Wasser

„Wir haben sozusagen einen Katalysator für Wasser entwickelt“, resümiert Schäfer. Mit den photokatalytischen Polymermembranen gelang es, Steroidhormone im kontinuierlichen Durchfluss so weit zu entfernen, dass die analytische Nachweisgrenze von vier Nanogramm pro Liter erreicht wurde – die Werte kamen sogar ziemlich nah an ein Nanogramm pro Liter heran, was der neuen Trinkwasserrichtlinie der WHO entspricht. Die Forschenden arbeiten daran, ihre Technologie weiterzuentwickeln, um den Zeitbedarf und den Energieverbrauch zu senken sowie die Verwendung von natürlichem Licht zu ermöglichen. Vor allem aber zielt die weitere Forschung darauf ab, auch andere Schadstoffe mithilfe der Photokatalyse abzubauen, beispielsweise Industriechemikalien wie per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) oder Pestizide wie Glyphosat. Eine weitere Herausforderung besteht darin, die Technologie in größerem Maßstab zu verwirklichen.

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