Neuartige Quanteneffekte in natürlichem Doppellagen-Graphen
Internationales Forschungsteam kontrolliert Wechselwirkung der Ladungsträger
Christoph Hohmann (MCQST Cluster)
Das neuartige Material Graphen, eine hauchdünne Lage von Kohlenstoffatomen, hatte ein britisches Forschungsteam im Jahr 2004 entdeckt. Graphen ist unter anderem wegen seiner außerordentlich hohen elektrischen Leitfähigkeit bekannt geworden. Werden zwei einzelne Graphenlagen in einem ganz bestimmten Winkel zueinander gedreht, wird das System sogar supraleitend, das heißt völlig widerstandslos Strom leitend, und zeigt weitere spannende Quanteneffekte wie Magnetismus. Die Herstellung solch verdrehter Graphen-Doppellagen erforderte bisher allerdings einen erhöhten technischen Aufwand.
Die Göttinger Untersuchungen fanden nun an der natürlich vorkommenden Form von Doppellagen-Graphen statt, bei der keine aufwändige Herstellung nötig ist. Dazu wurde in einem ersten Schritt im Labor die Probe mit Hilfe eines einfachen Klebebandes von einem Stück Graphit isoliert. Um quantenmechanische Effekte beobachten zu können, legte das Göttinger Team anschließend ein hohes elektrisches Feld senkrecht zur Probe an: Die elektronische Struktur des Systems änderte sich und es kam zu einer starken Anreicherung von Ladungsträgern mit ähnlicher Energie.
Bei Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius können die Elektronen im Graphen dann miteinander wechselwirken – und völlig unerwartet kommt eine Vielzahl von komplexen Quantenphasen zum Vorschein. Zum Beispiel führen die Wechselwirkungen dazu, dass sich die Spins der Elektronen ausrichten, wodurch das Material ohne weitere äußere Einwirkung magnetisch wird. Durch Änderung des elektrischen Feldes können die Forschenden die Stärke der Wechselwirkungen der Ladungsträger im Doppellagen-Graphen kontinuierlich verändern. Wenn die Verdichtung der Ladungsträger am größten ist, werden die Ladungsträger in ihrer Bewegungsfreiheit so stark eingeschränkt, dass sie ein eigenes Elektronengitter bilden und über keine freien Elektronen mehr verfügen, die zum Ladungstransport beitragen können. Das System ist dann elektrisch isolierend.
„Zukünftige Forschung kann sich nun auf die Untersuchung weiterer Quantenzustände konzentrieren“, so Prof. Dr. Thomas Weitz vom I. Physikalischen Institut der Universität Göttingen. Seine Kollegin Anna Seiler ergänzt: „Um mögliche Anwendungen zu erschließen, zum Beispiel im Bereich neuartiger Computersysteme wie Quantencomputer, müsste dann die Frage beantwortet werden, wie man die im Moment noch sehr fragilen Effekte auch bei höheren Temperaturen beobachten kann. Ein großer Vorteil des entwickelten Systems liegt dabei in der Einfachheit der Herstellung der Materialien.“
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