Neuartige Methode zur Steuerung chemischer Reaktionen entdeckt

Katalysator zur gezielten Aktivierung von Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen entwickelt

26.01.2023 - Deutschland

Zu den wichtigsten Bausteinen für organische Verbindungen wie Arzneien, Pflanzenschutzmittel und viele Materialien gehören substituierte Aromaten. Die Funktion der Moleküle wird durch die räumliche Verknüpfung der verschiedenen Bausteine bestimmt, das „Substitutionsmuster“. Ein Forschungsteam aus der Organischen Chemie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat jetzt im Fachmagazin Chem eine Methode vorgestellt, um Verbindungen mit einem sonst schwer zugänglichen Substitutionsmuster effizienter als bisher herzustellen. Um die dafür nötige Aktivierung von Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen zu erreichen, entwickelten sie einen speziellen Palladium-Katalysator. Er kann erstmals eine bislang nicht mögliche Position innerhalb von Molekülen selektiv ansteuern.

© Julia Siekmann, Kiel University

Manuel van Gemmeren, Professor für Organische Chemie (l.), hat mit seinem Forschungsteam, darunter Doktorand Fritz Deufel (r.), eine Methode entwickelt, mit der sich bisher schwer zugängliche chemische Verbindungen leichter herstellen lassen.

Langjährige Forschungslücke geschlossen

Mit ihrer neuen Methode schließen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine langjährige Forschungslücke. „Substituierte Aromaten haben im Prinzip drei Positionen, an denen ein Katalysator andocken kann, um eine Reaktion auszulösen – ortho, meta und para genannt. Je nach Position entstehen am Ende verschiedene chemischen Produkte mit fundamental anderen Eigenschaften“, sagt Manuel van Gemmeren, Professor für Organische Chemie an der CAU. Für die ortho- und para-Positionen waren bereits Möglichkeiten bekannt, um Katalysatoren gezielt dort angreifen zu lassen. Manuel van Gemmeren und sein Team können jetzt zum ersten Mal auch die meta-Position direkt selektiv ansteuern. Damit können sie sogenannte meta-substituierte Benzylammonium-Verbindungen herstellen, die aufgrund ihrer vielseitigen Einsatzbarkeit in der Organischen Chemie sehr interessant sind.

Normalerweise treten diese Verbindungen höchstens in geringen Mengen vermischt mit anderen Produkten auf. „Bisher mussten sie umständlich voneinander getrennt werden. Alternativ waren aufwendige Syntheseverfahren notwendig, um sie gezielt herzustellen. Beide Fälle führten zu unnötigen Abfallprodukten“, erklärt van Gemmeren. Mit der neuen Methode lassen sich meta-substituierte Benzylammonium-Verbindungen jetzt also weitaus effizienter herstellen.

Dafür nutzte das Forschungsteam ein in der Fachliteratur bislang noch nicht beschriebenes Prinzip: Der von ihnen entwickelte Palladium-Katalysator kann mit Ladungen im Molekül wechselwirken. Dadurch verändert sich die Zusammensetzung der entstehenden Produkte drastisch zugunsten des bisher schwer herstellbaren Substitutionsmusters. Berechnungen von Kolleginnen und Kollegen des Institut Català d’Investigació Química (ICIQ), Spanien, zeigten, dass dafür tatsächlich die Ladungswechselwirkungen verantwortlich sind.

Auch für Pharmazie- oder Agrarunternehmen interessant

Diese Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung können auch für Pharmazie- oder Agrarunternehmen interessant sein, die riesige Bibliotheken von strukturverwandten Molekülen aufbauen und ihre biologische Aktivität untersuchen. „Überall dort, wo eine möglichst große Vielfalt an Verbindungen systematisch untersucht wird, kann unsere Methode ein hilfreiches Werkzeug sein, um Wissenslücken zu schließen“, sagt van Gemmeren.

Die Entwicklung der neuen Methode ist das Ergebnis langjähriger Vorarbeiten, die bereits an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster begonnen haben. Hier baute van Gemmeren über das Emmy-Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eine eigene Forschungsgruppe zur Aktivierung von Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen auf, bevor er 2022 an die CAU kam. In Kiel wird er auch sein ERC-Starting-Grant-Projekt „DULICAT“ umsetzen, aus dem die Konzeptidee für die neue Methode hervorgegangen ist. Vom Europäischen Wissenschaftsrat (European Research Council, ERC) hat er dafür eine Förderung von 1,8 Millionen Euro erhalten.

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

So nah, da werden
selbst Moleküle rot...