Wenn jedes Detail zählt: Wärmetransport in Energiewerkstoffen

Entdeckung könnte zu energieeffizienteren Technologien beitragen, da sich damit die gezielte Erzeugung von Defekten auf der Nanoskala nutzen lässt

12.06.2023 - Deutschland
© Florian Knoop, NOMAD Laboratory

Temporäre Bildung eines Defektpaares in Kupferiodid. Obwohl diese Defekte nur für einige Pikosekunden, also für einen Billionstel einer Sekunde, bestehen bleiben, beeinflussen sie erheblich makroskopische Wärmetransportprozesse.

Forschende des NOMAD Laboratory am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft haben Einblicke in die mikroskopischen Mechanismen gewonnen, die die Wärmeleitfähigkeit in thermischen Isolatoren bestimmen. Durch ihre computergestützte Forschung haben sie gezeigt, dass selbst kurzlebige und mikroskopisch lokalisierte Defektstrukturen einen erheblichen Einfluss auf makroskopische Transportprozesse haben. Diese Entdeckung könnte zu energieeffizienteren Technologien beitragen, da sich damit die gezielte Erzeugung von Defekten auf der Nanoskala dafür nutzen lässt, besonders effiziente Wärmeisolatoren herzustellen.

Die Forschenden des NOMAD Laboratory haben kürzlich Einsichten erlangt, die erklären, wie grundlegende mikroskopische Mechanismen ausnutzen kann, um stark thermisch isolierende Materialien zu entwickeln. Diese Studien tragen wesentlich zu den laufenden Bemühungen bei, höhere energetische Effizienzen zu erzielen. Denn Wärmetransport spielt eine entscheidende Rolle in verschiedenen wissenschaftlichen und industriellen Anwendungen, unter anderen in der Katalyse, der Turbinentechnologie und bei thermoelektrischen Elementen, die ansonsten ungenutzte Abwärme in Elektrizität umwandeln können. Insbesondere zur Energieeinsparung und somit für die Entwicklung nachhaltiger Technologien sind Materialien mit hoher Wärmeisolationsfähigkeit von größter Bedeutung. Solche Materialien ermöglichen es nämlich, Wärme zurückzuhalten und zu nutzen, die sonst verloren gehen würde. Daher ist das Design von effizienteren, hochisolierenden Materialien ein wichtiges Forschungsziel, um nachhaltigere Anwendungen zu ermöglichen.

Die Entwicklung von stark thermisch isolierenden Materialien ist allerdings nicht trivial, obwohl die zugrunde liegenden physikalischen Grundgesetze seit fast einem Jahrhundert bekannt sind. Auf mikroskopischer Ebene wird der Wärmetransport in Halbleitern und Isolatoren of im Rahmen der kollektiven Schwingung der Atome um ihre Gleichgewichtspositionen im Kristallgitter erklärt. Diese Schwingungen, in der Fachsprache als "Phononen" bezeichnet, umfassen unzählige Atome in festen Materialien und decken daher große, nahezu makroskopische Längen- und Zeitskalen ab.

In zwei kürzlich veröffentlichten Studien in den Fachzeitschriften Physical Review B (Editors Suggestions) und Physical Review Letters haben Forschende des NOMAD-Labors am Fritz-Haber-Institut die rechnerischen Möglichkeiten zur Berechnung der Wärmeleitfähigkeit vorangetrieben und gezeigt, wie sich damit selbst ohne experimentelles Vorwissen eine hohe Genauigkeit erzielen lässt. Dabei hat sich herausgestellt, dass das oben genannte Phononen-Modell für starke Wärmeisolatoren nicht geeignet ist. Mit Hilfe von Supercomputern des Max-Planck-Instituts, des Norddeutschen Verbunds für Hoch- und Höchstleistungsrechnen und des Jülich Forschungszentrums haben sie über 465 kristalline Materialien untersucht, für die die Wärmeleitfähigkeit bisher noch nie gemessen wurde. Dabei wurden 28 starke Wärmeisolatoren gefunden, von denen sechs eine extrem niedrige Wärmeleitfähigkeit, vergleichbar mit Holz, besitzen. Dabei zeigen diese Studien  auch einen bisher oft übersehenen Mechanismus auf, mit dem sich Wärmeleitfähigkeiten gezielt senken lassen. "Wir haben die vorübergehende Bildung von Defektstrukturen beobachtet, die die atomare Bewegung für einen äußerst kurzen Zeitraum massiv beeinflussen", sagt Dr. Florian Knoop (jetzt Linköping University), Erstautor beider Veröffentlichungen. "Solche Effekte werden in thermischen Leitfähigkeitssimulationen normalerweise vernachlässigt, da diese Defekte extrem kurzlebig und auf mikroskopischer Ebene lokalisiert sind.  Auf Grund der viel längeren und größeren Skalen beim Wärmetransport, werden solche Effekte oft als irrelevant angesehen. Die durchgeführten Berechnungen haben jedoch gezeigt, dass auch solche mikroskopischen Details wesentlich die Wärmeleitfähigkeit beeinflussen", fügt Dr. Christian Carbogno, einer der leitenden Autoren der Studien, hinzu.

Diese Erkenntnisse bieten neue Möglichkeiten, Wärmeisolatoren durch gezielte Defekt Erzeugung auf der Nanoskala zu entwerfen und damit zur Entwicklung von energieeffizienteren Technologien beizutragen.

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