Per Teilchenschauer Bauteile durchleuchten
HZDR-Forscher*innen wollen die Myonen-Bildgebung für Brücken, Chemieparks und Castor-Behälter ertüchtigen
Jede zehnte Brücke in Deutschland weist laut dem Bundesamt für Straßenwesen gravierende Mängel auf. Korrosion greift die Armierung im Beton an. Deshalb werden Brücken regelmäßig überprüft. Für die Grundstoff-Industrie ist das ständige Monitoring von Produktionsanlagen ebenfalls unerlässlich – und zudem mit immensen Kosten verbunden. Bis zu 50 Meter hohe Destillationskolonnen, große Stahlguss-Anlagen oder Drehrohr-Öfen für die Verbrennung von Rückständen müssen stillstehen, denn nur so können Anzeichen von Verschleiß entdeckt werden. Und wie steht es um den Zustand der abgebrannten Brennelemente, die sich in den derzeit 17 Zwischenlagern in Deutschland in Lagerbehältern befinden?
„Theoretisch eignet sich die Myonen-Bildgebung für solche Anwendungsfälle ganz hervorragend“, ist Prof. Uwe Hampel, Abteilungsleiter am Institut für Fluiddynamik des HZDR, überzeugt. So berichteten die Medien erst Anfang März wieder über eine im Jahr 2017 entdeckte Kammer in der 4.500 Jahre alten Cheops-Pyramide. Was für Archäologen eine Sensation bedeutet, verdankt sich wesentlich der Myonen-Bildgebung.
Myonen sind Teil der kosmischen Strahlung. Die geladenen Teilchen sind äußerst energiereich und dringen tief in Materialien ein. Mithilfe hochauflösender Detektoren lassen sich deshalb dreidimensionale Bilder vom Inneren großer Industrieanlagen und Bauwerke gewinnen. „Für das Monitoring sind die vorhandenen Detektortypen jedoch nicht robust genug und viel zu teuer“, erläutert der Experte für bildgebende Messverfahren in der Energie- und Verfahrenstechnik. Die aufwendige Fertigung einerseits und die Anzahl der Elektronik-Kanäle, die für hochauflösende Bilder nötig sind, treiben die Kosten in die Höhe.
Kniff für günstige und robuste Detektoren
Nun sollen neue Ideen der Myonen-Bildgebung zum Durchbruch verhelfen: Dazu zählen Detektorkonzepte mit einer speziellen Matrixstruktur für die Elektronik, die Hampels Team ursprünglich für einen patentierten Gittersensor entworfen hatte. „Unsere Struktur zeichnet sich dadurch aus, dass wir in der Fläche hocheffizient Signale orten und weiterleiten können, um sie anschließend mit eigens entwickelten Algorithmen auszuwerten. Dieses Schema auf Myonen-Detektoren zu übertragen, ist uns bereits gelungen“, berichtet Hampel.
Die Matrixstruktur eignet sich prinzipiell sowohl für die Drahtelektroden eines Gasionisationsdetektors wie für die optischen Fasern eines Szintillationsdetektors. Ein weiterer Vorteil: Dank des durchdachten Adressierungsschemas lassen sich sowohl die Anzahl der Elektronik-Kanäle als auch die Kosten für die Detektoren drastisch reduzieren.
In dem mit einer halben Million Euro geförderten MYTOS-Projekt treten die Fachleute am HZDR an, verschiedene Detektor-Prinzipien vergleichend zu analysieren. „Insbesondere interessiert uns dabei, ob sich die Testdetektoren im industriellen Umfeld – also bei Temperaturschwankungen oder Vibrationen – als robust erweisen“, erklärt Hampel. Mit dem gewonnenen Wissen will er mit seinem Team erfahrener Messtechnik-Ingenieur*innen und Wissenschaftler*innen einen Prototyp bauen und gemeinsam mit potenziellen Anwendern experimentell erproben. Mit im Boot sind das EWN Entsorgungswerk für Nuklearanlagen, die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung sowie die BASF.
Noch ist die Idee darauf beschränkt, Anlagen und Bauwerke mit modular aufgebauten, mobilen Detektoren in Intervallen zu überprüfen, doch Uwe Hampel verfolgt eine klare Vision: „Wir wollen langfristig die Kosten für Sensoren und Messtechnik so weit senken, dass eine stationäre Langzeit-Überwachung möglich wird.“