Walnussschalen als Inhaltsstoffe für Kosmetika
Hochschulprojekt erforscht mit Kalkarer Unternehmen Alternativen zu Mikroplastik
Mikroplastik wurde bislang kosmetischen Mitteln (z.B. Dusch- oder Gesichtspeelings) oder Detergenzien (Wasch- und Reinigungsmitteln) als Schleifmittel sowie als Trübungsmittel zugesetzt. Dabei handelt es sich um wasserunlösliche, feste Kunststoffe, die fünf Millimeter und kleiner sind. Dermatolog*innen betonen zwar mitunter, dass für eine gesunde Haut keine Peelings nötig seien, aber wer kennt das nicht: das angenehm weiche Gefühl auf der Haut nach einem Peeling.
Das Problematische an zugesetztem Mikroplastik ist, dass die Partikel mit dem (Ab‑)Waschvorgang in das Abwasser gelangen. Die Partikel, die dadurch in die Kanalisation gespült werden, sind so klein, dass Kläranlagen sie nicht filtern können. In Kläranlagen wird das Abwasser einem mehrstufigen Reinigungsprozess unterzogen: Feststoffe werden entfernt, UV-Licht tötet Keime ab und Membrananlagen filtern Bakterien und Viren. Für Mikroverunreinigungen sind die Kläranlagen mit ihrem mehrstufigen Reinigungsprozess nicht ausgelegt. Darunter fällt u.a.Mikroplastik. Aus diesem Grund schob die EU mit der Chemikalienverordnung REACH der Verwendung von Mikroplastik in Produkten, deren Reste in das Abwasser gelangen, aber dennoch nach dem Reinigungsprozess die Kläranlage verlassen und in Gewässer gelangen, den Riegel vor.
Auch wenn der Anteil an Mikroplastik, der durch Peelings oder Waschmittel ins Abwasser gelangt, recht gering ist, so ist die Forschung an Alternativen dafür ein Anfang. Dieser Verantwortung ist sich bb med.-Geschäftsführer Robert Beinio bewusst: „Wir setzen schon lange kein Mikroplastik mehr ein. Und auch der Dachverband der europäischen Kosmetikverbände hat bereits im Jahr 2015 empfohlen, keine Kunststoffpartikel mehr in Kosmetik einzusetzen“, betont er. Dennoch haben sich Robert Beinio und Dr. Dirk Bockmühl, Professor für Hygiene und Mikrobiologie an der HSRW, zum Ziel gesetzt, natürliche Alternativen einzusetzen. „Eine davon betrachten wir in unserem Projekt näher: Walnussschalen“, so der Professor der Fakultät Life Sciences.
Um das besser zu verstehen, geht die Reise nach Kirgistan: „Das Land hat großartige, natürliche Walnusswälder, deren nachhaltige Nutzung wir im Projekt SUFACHAIN sicherstellen können. Dabei wollen wir auch die Beiprodukte der Walnussernte berücksichtigen. Im Rahmen des Projektes wollen wir die technologischen Herausforderungen dieser möglichen Nutzung – hier sind vor allem der Mahlprozess zur Erzielung von nicht-scharfkantigen Partikeln und die mikrobiologische Qualität zu nennen – untersuchen und Lösungen finden“, erklärt Bockmühl den Ansatz des Forschungsvorhabens.
Dabei gibt es einige Hürden zu meistern, um die kirgisischen Bäuerinnen und Bauern zu unterstützen. Das weiß auch Bockmühl: „Walnussschalen, aber auch die ebenfalls im Projekt betrachteten Aprikosenkernschalen, sind im Zuge des Wachstums, der Ernte und der Weiterverarbeitung immer wieder mikrobiellen Kontaminationen ausgesetzt, zum Beispiel durch Schimmelpilze. Um einen sicheren Kosmetikinhaltsstoff zu erhalten, müssen diese mikrobiologischen Probleme erkannt und gelöst werden. Wir wollen das im Projekt auf eine Weise tun, damit die Produkte mit möglichst geringer Nutzung von Bioziden und ohne den Einsatz von möglicherweise problematischen Behandlungsmethoden wie einer Bestrahlung verarbeitet werden können. Dazu wollen wir vor allem Prozessschritte in Kirgistan mit unseren dortigen Partnern optimieren, aber auch mögliche, risikoarme Konservierungsmethoden entwickeln“, so der HSRW-Professor.
Und auch bevor ein solches Produkt vermarktet werden kann, gibt es in punkto Produktsicherheit einiges zu beachten: „Bei einem Peeling-Produkt mit Kernmehlen kommt es zum Beispiel auf die Scharfkantigkeit der Partikel an. Je nach Herkunft der Partikel und Vermahlungsgrad können sie für eine Anwendung im Gesicht in Frage kommen oder eher für ein Fuß-Peeling“, weiß der Kalkarer Unternehmer Beinio. „Ebenso muss das Produkt einen Lagertest bei verschiedenen Temperaturen bestehen, den sogenannten Stabilitätstest. Es handelt sich um eine beschleunigte Alterung. Dann wird die mikrobiologische Sicherheit durch einen Konservierungsbelastungstest geprüft. Zur Sicherheit für die anwendenden Käufer*innen des Produktes wird ein toxikologisches Gutachten erstellt und ein dermatologischer Test durchgeführt“, erläutert Bockmühl. Beinio ergänzt, dass auch die verschiedenen Naturkosmetiklabel und deren Anforderungen für Zertifizierungen eine wichtige Rolle spielen.
Ziel des Projektes sei laut Bockmühl einerseits die Entwicklung eines Kosmetikinhaltsstoffes, nicht eines fertigen Kosmetikums. Durch die Projektkonzeption, bei der mit finalen Rezepturen gearbeitet wird, sei die Anwendung nach erfolgreichem Projektabschluss tatsächlich recht kurzfristig möglich. Andererseits zielt das Projekt auch darauf ab, „den kirgisischen Bauern Wege zur Vermarktung von Walnussschalen zu eröffnen, die sonst reines Abfallprodukt wären. Hierbei wollen wir aus wissenschaftlicher und industrieller Sicht Möglichkeiten eröffnen, die genannten technologischen Hürden zu meistern, indem wir den kompletten Produktentwicklungsprozess vom Inhaltsstoff Walnussschale bis hin zur fertigen Kosmetik im Hinblick auf die kirgisischen Produkte abbilden und wissenschaftlich begleiten. Letztlich ist das Ziel, dass die Bauern in Zukunft ihre Wertschöpfung durch die Vermarktung hochwertiger Produkte – auch aus derzeitigen Abfällen der Lebensmittelproduktion – optimieren“, fasst der HSRW-Professor das Vorhaben zusammen.
Im Projekt SUFACHAIN soll so eine win-win-win-Situation gemäß der drei Säulen nachhaltigen Wirtschaftens entstehen: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Ein Abfallprodukt wird weiterverarbeitet, dadurch werden Landwirt*innen ökonomisch unterstützt. Und ein Unternehmen aus Kalkar am Niederrhein profitiert davon, bald nachhaltigere Produkte auf den Markt bringen zu können.
Auch wenn die Entwicklung eines kosmetischen Produktes, inklusive aller erforderlichen Tests, ein Jahr oder auch länger dauern kann: Die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Projekt sind nicht nur am Niederrhein und in Kirgistan von Bedeutung – davon könnten Hersteller aus ganz Europa profitieren.