Neue Methode misst die 3D-Position einzelner Atome

Das an den Universitäten Bonn und Bristol entwickelte Verfahren nutzt ein raffiniertes physikalisches Prinzip

07.03.2024
© IAP/Uni Bonn

So sieht das Ganze in der Praxis aus: - Die verschiedenen Drehrichtungen der rötlich-lilafarbenen „Hanteln“ belegen, dass die Atome in unterschiedlichen Ebenen liegen.

Seit mehr als einem Jahrzehnt ist es möglich, mit Hilfe spezieller Mikroskope den Aufenthaltsort einzelner Atome präzise zu messen - und das auf weniger als einen tausendstel Millimeter genau. Allerdings lieferte diese Methode bislang nur die x- und y-Koordinate. Es fehlte die Höhenangabe, also der Abstand des Atoms zum Mikroskop-Objektiv. Nun gibt es eine neue Methode, die alle drei Raumkoordinaten eines Atoms mit einem einzigen Foto bestimmen kann. Das Verfahren, das an der Universität Bonn und der University of Bristol entwickelt wurde, basiert auf einem raffinierten physikalischen Prinzip. Die Studie dazu ist nun im Fachjournal Physical Review A erschienen.

Wer schon einmal im Biologie-Unterricht eine Pflanzenzelle mikroskopiert hat, erinnert sich vielleicht: Dass sich der Chloroplast rechts oberhalb des Zellkerns befindet, ist einfach zu erkennen. Doch liegen die beiden in derselben Ebene? Man dreht dann vielleicht etwas am Fokus-Rad und merkt: Wenn der Kern schärfer wird, wird der Chloroplast unschärfer. Der eine muss also etwas höher liegen und der andere etwas tiefer. Genauer lässt sich das mit dieser Methode aber nicht sagen.

Wenn man statt Zellen einzelne Atome beobachtet, ist das im Prinzip ganz ähnlich. Man nutzt dazu sogenannte Quantengas-Mikroskope. Mit ihnen kann man ebenfalls die x- und y-Koordinate eines Atoms bestimmen. Seine z-Koordinate, also sein Abstand zur Objektivlinse, ist jedoch viel schwieriger zu messen: Um herauszufinden, in welcher Ebene sich das Atom befindet, müsste man mehrere Bilder machen, bei denen der Fokus auf verschiedene Ebenen verschoben ist. Dieser Prozess ist komplex und zeitaufwändig.

Aus runden Flecken werden Hanteln

„Wir haben nun eine Methode entwickelt, mit der das in einem Schritt geht“, erklärt Tangi Legrand vom Institut für Angewandte Physik (IAP) der Universität Bonn. „Wir nutzen dazu einen Effekt, der in der Theorie bereits seit den 1990er Jahren bekannt ist, aber noch nie in einem Quantengas-Mikroskop eingesetzt wurde.“

Um mit Atomen zu experimentieren, muss man sie zunächst stark abkühlen, so dass sie sich kaum noch bewegen. In dieser Form kann man sie beispielsweise mit einer stehenden Welle aus Laserlicht einfangen. Sie rutschen dann in die Wellentäler, ähnlich wie Eier in die Vertiefungen eines Eierkartons. Um sie dort sichtbar zu machen, beleuchtet man sie mit einem zusätzlichen Laserstrahl. Sie werden dadurch angeregt, selber Licht auszusenden. Diese Fluoreszenzstrahlung wird im Quantengas-Mikroskop als leicht verschwommener, runder Fleck sichtbar.

„Wir haben nun ein spezielles optisches Bauteil verwendet, um die vom Atom ausgehende Lichtwellenfront zu verformen“, erklärt Dr. Andrea Alberti. Der Forscher, der inzwischen vom IAP an das Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching gewechselt ist, war ebenfalls an der Studie beteiligt. „Die so verformte Wellenfront erzeugt am Ort der Kamera statt des typischen runden Flecks eine um sich selbst rotierende Hantel. Die Richtung, in die diese Hantel weist, hängt von der Strecke ab, die das Licht vom Atom zur Kamera zurücklegen musste.“

„Die Hantel fungiert also als eine Art Kompassnadel, an deren Stellung wir die z-Koordinate ablesen können“, sagt Prof. Dr. Dieter Meschede. Der IAP-Forscher, in dessen Arbeitsgruppe die Studie durchgeführt wurde, ist Mitglied des Transdisziplinären Forschungsbereichs „Matter“ an der Universität Bonn.

Wichtig für quantenmechanische Experimente

Die neue Methode erlaubt es, den Aufenthaltsort eines Atoms in drei Dimensionen präzise zu bestimmen - und zwar mit einer einzigen Fotoaufnahme. Das ist unter anderem wichtig, will man mit Atomen quantenmechanische Experimente durchführen. Denn dabei kommt es oft darauf an, ihre Position exakt zu kontrollieren oder sogar zu verfolgen, um sie in gewünschter Weise miteinander interagieren zu lassen.

Zudem kann das Verfahren auch bei der Entwicklung neuer Quanten-Materialien mit besonderen Eigenschaften helfen. „Wir können zum Beispiel untersuchen, welche quantenmechanischen Effekte bei einer bestimmten Anordnung der Atome auftreten könnten“, erklärt Dr. Carrie Weidner von der Universität Bristol. „Wir können so gewissermaßen die Eigenschaften dreidimensionaler Materialien simulieren, ohne sie synthetisieren zu müssen.“ 

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