Wenn Ionen zum Katalysator wandern: Neue Einblicke in die Solvatationskinetik an Oberflächen
Entscheidend für die Entwicklung effizienterer Batterien, Elektrokatalysatoren oder zur Verhinderung von Korrosion
Der genaue Wanderweg der Ionen zum Festkörper wird von einem Prozess bestimmt, der in der Bio- und Elektrochemie allgegenwärtig ist: Ionen müssen ihre Solvatationshülle umordnen und teilweise komplett loswerden, bevor sie in Batteriekathoden interkalieren, Ionenkanäle in biochemischen Membranen durchqueren oder an Elektrokatalysator-Oberflächen adsorbieren und in Chemikalien wie grünen Wasserstoff umgewandelt werden können. Dabei haben die Grenzflächeneigenschaften des Wassers einen großen Einfluss auf die Kinetik, d.h. die genaue Berglandschaft, welche das Ion auf dem Pfad zum Festkörper überwinden muss.
Zuvor entdeckte das Team, dass die Kinetik der Hydroxidsolvatation durch sogenannte Kompensationseffekte zwischen der Aktivierungsentropie und -enthalpie bestimmt wird. Mit anderen Worten, wenn die maximale Erhebung des Berges erhöht wird, nimmt die Anzahl der zugänglichen Wanderwege zu, was es wahrscheinlicher macht, dass das Ion auf die Reise geht. Zur Erreichung dieser Schlussfolgerungen hat das Team die Kinetik mittels der Eyring-Evans-Polanyi-Gleichung interpretiert, dem Kernstück der Übergangszustandstheorie von 1935, mitentwickelt von Michael Polanyi, Leiter der FHI Abteilung Physikalische Chemie bis 1933.
Fast 90 Jahre später sind die Wissenschaftler*innen der Abteilung Interface Science nun in der Lage, die beiden Schlüsselparameter der Übergangszustandstheorie, die Aktivierungsenthalpie und -entropie, mit einer Millisekunden-Zeitauflösung zu verfolgen. „Unsere Erkenntnisse sind auf vielen fundamentalen Ebenen bedeutend“, sagt Francisco Sarabia, Erstautor der Studie und Marie Curie Postdoctoral Fellow. „Mit dieser Technik können wir die Elektrosorptionskinetik von Ionen an spezifischen strukturellen Oberflächenmotiven, z.B. Stufenkanten oder Defekten, untersuchen und zeigen, wie sie mit der Elektrokatalysatorkinetik verbunden sind. Andere Anwendungsfelder sind zum Beispiel das dynamische Deaktivierungsverhalten von Katalysatoren. In dieser Studie haben wir die Ammoniakoxidation auf einer Platinoberfläche untersucht und konnten zeigen, dass die Deaktivierung der Oberfläche durch bestimmte Zwischenprodukte die Solvatationskinetik beeinflusst. Dieses Maß an Einblick war bisher völlig unzugänglich.“
Dr. Sebastian Öner, Gruppenleiter und korrespondierender Autor der Studie betont die Bedeutung dieser Erkenntnisse. „Überwältigende Ergebnisse der Operando Spektroskopie- und Mikroskopie, einschließlich von meinen Kolleg*innen hier in den Abteilungen für Anorganische Chemie und Interface Science, zeigen, dass Katalysatoroberflächen hochdynamisch sind. Über die Untersuchung der Solvatationskinetik hinaus haben wir nun ein Werkzeug, das wir anwenden können, um kinetische Informationen in Echtzeit zu erfassen und mit spektroskopischen und mikroskopischen Informationen zu korrelieren.“
Die Forschung des Teams hebt die Bedeutung potentialabhängiger Veränderungen in der lokalen Umgebung von Katalysatoren hervor und zeigt, wie die feste Struktur und der flüssige Elektrolyt eng miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen können. Dieses umfassende Verständnis ist entscheidend für die Entwicklung von Katalysatoren mit verbesserter Aktivität, Selektivität und Stabilität.
Die Abteilung Interface Science unter der Leitung von Prof. Dr. Beatriz Roldán Cuenya ist bestrebt, diese Erkenntnisse weiter zu erforschen, mit dem Potenzial, die Bereiche der Energie- und chemischen Umwandlungstechnologie erheblich zu beeinflussen.
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