Bienenfreundlicher Schutz für Pflanzen
Neuartige Sensoren könnten zukünftig helfen, Pflanzenschutzmittel zu entwickeln, die für Bienen ungefährlich sind
Um dieses Dilemma zu lösen, arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Elektronische Mikrosysteme und Festkörper-Technologien (abgekürzt EMFT) im Förderprojekt Ökotox an der Entwicklung neuartiger Sensoren. Sie sollen helfen, „bienenfeindliche“ Substanzen bereits in frühen Entwicklungsphasen neuer Pflanzenschutzmittel zu identifizieren. „Unser Ziel ist es, dass diese Sensoren eine schädliche Wirkung auf Insekten innerhalb weniger Stunden anzeigen und gleichzeitig viele Substanzen zeit- und kostensparend parallel untersucht werden können“, sagt Prof. Joachim Wegener, Leiter der Fraunhofer Abteilung „Zellbasierte Sensorik“, die auf dem Campus der Universität Regensburg (UR) angesiedelt und eng mit dem Institut für Analytische Chemie, Chemo- und Biosensorik der UR verzahnt ist.
Das Grundkonzept des neuen Ansatzes basiert auf der Verwendung von Insektenzellen als Sensoren. Diese Zellen verfügen über den für die jeweiligen Insekten typischen Stoffwechsel und können bei Kontakt mit einem Wirkstoff dessen Einfluss anzeigen. „Die Zellen werden in Laborgefäße überführt, die am Boden mit Mikroelektroden ausgestattet sind“, erklärt Wegener. In diesen so genannten Multielektroden-Arrays lässt sich der Wechselstromwiderstand (Impedanz) der Zellen in Echtzeit bestimmen und damit Auswirkungen auf die Zellen dokumentieren.
Das Verfahren könnte herkömmliche Tests aus der Bioanalytik ergänzen, mit denen die toxische Konzentration des isolierten Wirkstoffes ermittelt wird. Üblicherweise enthalten Pflanzenschutzmittel aber zahlreiche Beimengungen, die nicht selten für die unbeabsichtigten toxischen Effekte verantwortlich sind. Mit den Insektenzellsensoren lässt sich die Wirkung der gesamten Mischung erfassen. So können biologische Auswirkungen neuer Wirkstoffkandidaten schnell identifiziert werden.
Die Anzucht der Zellen erfolgt im Labor. Sie werden direkt in den Vertiefungen der Multielektroden-Arrays eingefroren und bei niedrigen Temperaturen gelagert. Die Zellen können dann bei Bedarf aufgetaut werden und sind innerhalb von Minuten testbereit, unabhängig von einem Zellkulturlabor auch direkt im Freiland. Dies ermöglicht eine zeit- und kosteneffiziente Vorbereitung großer Chargen an Sensorzellen lange bevor der Test zur Anwendung kommt.
Bisher wurden fünf verschiedene Pestizide mit dieser optimierten Sensorik auf ihre akute Zelltoxizität untersucht. „Die Ergebnisse zeigen, dass einige Pestizide, die für den Hausgebrauch verkauft werden, bei Konzentrationen toxisch sind, die weit unter den empfohlenen Anwendungskonzentrationen liegen“, sagt Stefanie Michaelis, die das Projekt federführend betreut.
Um die Anwendung der sensorbeladenen Elektrodenarrays zu automatisieren, hat das Forschungsteam am Fraunhofer EMFT ein Demo-Gerät entwickelt, das das Auftauen der Zellen und die Probenzugabe übernimmt. „Das Gerät ermöglicht eine exakte Dosierung und schließt jegliche Kreuzkontamination aus“, erläutert Christian Hochreiter, der den Prototypen geplant und konstruiert hat. Inwieweit die Ergebnisse mit Insektenzellen die Beeinflussung der lebenden Insekten widerspiegeln, ist Gegenstand weiterer Forschungsarbeiten. Neben dem Nachweis einer akuten insektiziden Wirkung soll die Sensorik künftig auch verschiedene Zellfunktionen untersuchen und die gleichzeitige Untersuchung von Zellen verschiedener Insektenspezies ermöglichen. „Unser Ziel ist es, ein umfassendes Wirkprofil der Substanzen zu erstellen, das über deren reine akute Toxizität hinausgeht“, so Joachim Wegener.
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