Dieses Nanoröhrchen hat den richtigen Riecher für Sauerstoff

Lichtaktivierter Hochleistungssensor kann Sauerstoff in komplexen Gasgemischen präzise detektieren

13.03.2025
Bezdek Group / ETH Zürich

Ein Nanoröhrchen aus Kohlenstoff, eine Schicht Titandioxid und ein Farbstoff, der Licht in elektrische Ladung umwandelt – aus diesen drei Modulen besteht der neuartige Sauerstoffmesser.

ETH-Forschende entwickeln einen kostengünstigen Sensor aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen, der unter Licht kleinste Mengen Sauerstoff selektiv, effizient und zuverlässig in Gasgemischen messen kann. Er könnte als Detektor in der Industrie, Medizin und im Umweltmonitoring breit zu Einsatz kommen. 

Sauerstsoff ist lebensnotwendig und ein reaktionsfreudiger Akteur in vielen chemischen Prozessen. Entsprechend sind Methoden, die Sauerstoff genau messen, für zahlreiche industrielle und medizinische Anwendungen relevant: Sie analysieren Abgase von Verbrennungsprozessen, ermöglichen die sauerstofffreie Verarbeitung von Lebensmitteln und Medikamenten, überwachen den Sauerstoffgehalt unserer Atemluft oder die Sättigung des Blutes.

Auch beim Monitoring der Umwelt spielen Sauerstoffanalysen eine immer wichtigere Rolle. «Allerdings brauchen solche Messungen meist sperrige, stromhungrige und teure Geräte, die für mobile Anwendungen oder Dauereinsätze im Freien kaum geeignet sind», sagt Máté Bezdek, Professor für funktionelle Koordinationschemie an der ETH Zürich. Seine Gruppe verwendet Methoden des molekularen Designs, um neue Sensoren für Umweltgase zu finden.

Im Falle von Sauerstoff ist das Bezdeks Gruppe nun gelungen: In einer Studie im Fachmagazin Advanced Science haben die Forschenden einen lichtaktivierten Hochleistungssensor präsentiert, der Sauerstoff in komplexen Gasgemischen präzise detektieren kann und zudem die relevanten Eigenschaften für den Feldeinsatz besitzt.

Ein kompromissloser Allrounder

Lionel Wettstein, Doktorand in Bezdeks Gruppe und Erstautor der Studie, erklärt: «Herkömmliche Messmethoden gehen für eine hohe Empfindlichkeit oft Kompromisse ein.» So gibt es Sensoren, die sehr empfindlich auf Sauerstoff reagieren, aber viel Strom verbrauchen und durch Umweltfaktoren wie Feuchtigkeit gestört werden. Andere sind gegenüber Störgasen tolerant, aber weniger empfindlich und werden rasch verbraucht. «Stationäre Geräte, aufwendige Proben und hohe Kosten schränken die Einsatzmöglichkeiten ebenfalls ein», so Wettstein.

Der neue Sensor kommt hingegen als praktischer Allrounder daher: Er ist sehr empfindlich, weist Sauerstoff in einer Million anderer Moleküle nach, funktioniert aber auch bei höheren Konzentrationen zuverlässig. Zudem ist er selektiv, toleriert also Feuchtigkeit und andere Störgase, und hat eine lange Lebensdauer. Schliesslich ist er winzig klein, aber dennoch kostengünstig, einfach anwendbar und verbraucht nur wenig Strom.

Das macht den miniaturisierten Sensor interessant für tragbare Geräte und mobile Echtzeitmessungen im Feld – etwa für die Analyse von Autoabgasen oder die Früherkennung von verdorbenen Lebensmitteln. Der Detektor eignet sich aber auch für das kontinuierliche Monitoring von Seen, Flüssen und Böden durch grossflächig verteilte Sensornetzwerke. «Der Sauerstoffgehalt in diesen Ökosystemen ist ein wichtiger Indikator für die ökologische Gesundheit», weiss Wettstein.

Mit Nanoröhrchen Moleküle messen

Um die gewünschten Eigenschaften zu erhalten, hat Bezdeks Gruppe den Sensor gezielt aus molekularen Komponenten konzipiert. Er gehört zur Klasse der Chemiresistoren: Das sind winzige elektrische Schaltungen mit einem aktiven Sensormaterial, das direkt mit dem zu analysierenden Molekül wechselwirkt und dabei seinen elektrischen Widerstand ändert. «Der grosse Vorteil ist, dass sich dieses Signal ganz einfach messen lässt», hält Bezdek fest.

Als Basis für das Sensormaterial wählten die Forschenden einen Verbundstoff aus Titandioxid und Kohlenstoff-Nanoröhrchen. Titandioxid kann als Chemiresistor dienen, hat aber den Nachteil, dass dies nur bei sehr hohen Temperaturen funktioniert. «Aus diesem Grund haben wir Kohlenstoff-Nanoröhrchen in den Verbundstoff eingebracht», berichtet Bezdek.

Die Nanoröhrchen bilden die energiesparende Plattform – sie sorgen dafür, dass die Sensorreaktion bei Zimmertemperatur abläuft und ohne Erhitzung auskommt. Um schliesslich zu erreichen, dass das Sensormaterial Sauerstoff zuverlässig von anderen Gasen unterscheiden kann, liess sich das Team von Farbstoffsolarzellen inspirieren: Bei diesen Solarzellen sammeln spezielle Farbstoffmoleküle, Fotosensibilisatoren genannt, Lichtenergie ein und wandeln sie in elektrischen Strom um.

Dieses Funktionsprinzip haben die Forschenden auf ihren Sensor übertragen: In Gegenwart von grünem Licht überträgt der Fotosensibilisator Elektronen auf den Verbundstoff aus Titandioxid und Nanoröhrchen. Das aktiviert das Material und macht es spezifisch für Sauerstoff empfindlich. «Im Gegensatz zu anderen Gasen behindert Sauerstoff den Ladungstransfer im aktivierten Sensor, wodurch sich dessen Widerstand verändert – das ist die Grundlage der Sensorreaktion», resümiert Wettstein.

Vom Labor ins Feld

Die Forschenden haben ihre Sensortechnologie bereits zum Patent angemeldet und sind nun auf der Suche nach Industriepartnern, um die Technologie weiterzuentwickeln. Langlebigen und zuverlässigen Sensoren, die Sauerstoff spezifisch in Gasgemischen messen, wird ein jährliches Marktvolumen von rund 1,4 Milliarden US-Dollar zugeschrieben.

Das Team arbeitet nun daran, ihr Sensorkonzept über Sauerstoff hinaus auf andere Umweltgase anzuwenden, die ökologisch eine wichtige Rolle spielen. «Unser Sensormaterial ist modular aufgebaut – wir wollen die chemische Zusammensetzung der Komponenten so verändern, dass auch andere Zielmoleküle nachgewiesen werden können», so Bezdek.

Ein aktuelles Thema seiner Gruppe ist der Nachweis von Schadstoffen auf Stickstoffbasis, die in der Landwirtschaft zu Überdüngung führen und Böden sowie Gewässer belasten. «Um den ökologischen Fussabdruck des Agrarsektors zu verringern, brauchen wir Sensoren, die eine präzise Düngung von Feldern ermöglichen», gibt Bezdek zu bedenken.

Originalveröffentlichung

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