Elektronen in Festkörpern zuschauen
Vereinfachung einer spektroskopischen Methode zur Untersuchung von Elektronenbewegungen in Molekülen und Festkörpern gelungen
Eine spektroskopische Methode, um die extrem schnellen Bewegungen von Elektronen in Festkörpern zu untersuchen, lässt sich dank einer neuen Erweiterung nun deutlich einfacher einsetzen als bisher. Forschende der Universität Oldenburg stellen das neue Verfahren in der Zeitschrift Optica vor. Das Team erhofft sich, dass die mehrdimensionale elektronische Spektroskopie von einer Methodik für Experten zu einem vielfältig einsetzbaren Werkzeug wird.
Die extrem schnellen Bewegungen und Wechselwirkungen von Elektronen in Molekülen und Festkörpern blieben direkten Beobachtungen lange verborgen. Seit einiger Zeit lassen sich solche quantenphysikalischen Vorgänge – etwa chemische Reaktionen, die Umwandlung von Sonnenlicht in elektrischen Strom in Solarzellen, aber auch elementare Prozesse in Quantencomputern – mit einer Zeitauflösung von wenigen Femtosekunden (Billiardstel Sekunden) mit dem Verfahren der mehrdimensionalen elektronischen Spektroskopie (2DES) in Echtzeit untersuchen. Das Verfahren ist allerdings sehr aufwändig und wird daher bislang nur von wenigen Forschungsgruppen weltweit genutzt. Einem deutsch-italienischen Team um Prof. Dr. Christoph Lienau von der Universität Oldenburg ist es nun gelungen, die Anwendung des Verfahrens deutlich zu vereinfachen. „Wir erhoffen uns, dass 2DES von einer Methodik für Experten zu einem vielfältig einsetzbaren Werkzeug wird“, erklärt Lienau.
Maßgeblich an der Entdeckung beteiligt waren die beiden Doktoranden Daniel Timmer und Daniel Lünemann aus Lienaus Arbeitsgruppe „Ultraschnelle Nano-Optik“. Das Team beschreibt die Vorgehensweise in der Fachzeitschrift Optica.
Beim 2DES-Verfahren werden Materialien kurz nacheinander mit drei ultrakurzen Laserpulsen bestrahlt. Die ersten beiden Pulse müssen identische Kopien sein. Sie dienen dazu, den zu untersuchenden Prozess in dem Material anzuregen – also etwa Elektronen in einem Halbleiter oder in einem Farbstoff in einen höheren Energiezustand zu versetzen. Dadurch verändern sich die optischen Eigenschaften des Materials. Der dritte Laserpuls, der sogenannte Probe-Puls, interagiert mit dem angeregten System, verändert sich dabei und liefert somit Informationen über den Zustand des Systems.
Durch Variation des zeitlichen Abstands zwischen den drei Pulsen lassen sich verschiedene Informationen über das untersuchte System ermitteln. Verändert man den Zeitraum zwischen den Anregungspulsen und dem Probe-Puls, kann der untersuchte Vorgang in verschiedenen Stadien aufgenommen werden, so dass der zeitliche Ablauf wie in einem Film sichtbar wird. Auch der Abstand zwischen den Anregungspulsen lässt sich variieren. Dadurch werden die Einzelheiten besonders komplexer Prozesse sichtbar, wie etwa beim Energietransfer während der Photosynthese. „Die 2DES Methode ist experimentell sehr herausfordernd“, betont Lienau. Das Problem bestehe insbesondere darin, den zeitlichen Abstand zwischen den ersten beiden identischen Laserpulsen und deren Form präzise zu kontrollieren.
In der neuen Studie beschreibt das Team um Lienau eine mögliche Lösung des Problems. Die Idee der Oldenburger Doktoranden Daniel Timmer und Daniel Lünemann setzt bei einem Verfahren namens TWINS an, das der italienische Physiker Prof. Dr. Giulio Cerullo von der Polytechnischen Universität Mailand vor einigen Jahren vorgestellt hatte. Cerullo, der auch Mitautor der aktuellen Studie ist, hatte ein sogenanntes Interferometer entwickelt, welches mit Hilfe von doppelbrechenden Kristallen aus einem Laserpuls zwei identische Pulse mit kurzem zeitlichem Abstand macht. Sie werden zur Anregung des gewünschten Systems verwendet. Diese Methode ist zwar erheblich einfacher zu realisieren als andere zur Pulserzeugung verwendetes Verfahren, wies dafür aber andere Einschränkungen auf. „Das Verfahren bot bislang nicht die volle Funktionalität eines mehrdimensionalen elektronischen Spektrometers“, so Lienau. In der Fachwelt habe man angenommen, dass die von Cerullo entwickelte Technik diese Funktionalität grundsätzlich nicht erreichen könne.
Timmer und Lünemann ergänzten Cerullos Interferometer nun jedoch um ein optisches Bauelement, eine sogenannte Verzögerungsplatte, die ein hindurchtretendes Lichtsignal um einen bestimmten Bruchteil einer Wellenlänge verzögert. Durch diese vergleichsweise einfache Erweiterung gelang es den beiden, die beiden Laserpulse deutlich präziser zu kontrollieren als mit dem ursprünglichen TWINS-Interferometer.
Die Forschenden setzten die Idee experimentell um und wiesen die verbesserten Möglichkeiten nach, indem sie Ladungsbewegungen innerhalb eines organischen Farbstoffs untersuchten. Das Team lieferte zudem eine theoretische Erklärung für die neue Methode. Timmer, Lünemann und Lienau haben inzwischen ein Patent für das erweiterte Interferometrie-Verfahren erhalten.
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