Wirkstoffe erforschen - gemeinsam in Europa
Chemische Substanzen können Bakterien abtöten, die Virusvermehrung stoppen oder Krebszellen am Wachsen hindern. Die Natur hat einen schier unerschöpflichen Vorrat an Substanzen hervorgebracht, ob in der Tiefsee, in den Regenwäldern oder im Erdöl. Zusätzlich stellen Chemiker weitere, künstliche Substanzen her. Somit entsteht ein riesiges Reservoir an potentiellen Medikamenten und Schädlingsbekämpfungsmitteln - wenn man nur wüsste, welche Substanz was kann.
„Weltweit suchen Forscher gezielt nach biologischen Wirkungen von Substanzen, um ein bestimmtes Problem zu lösen“, sagt Dr. Ronald Frank, Koordinator von EU-Openscreen. Dies geschieht in Screening-Laboren, die bislang isoliert voneinander arbeiten. Jedes widmet sich einer abgegrenzten Fragestellung. Dass andere Forscher mit derselben Substanz in anderen Testsystemen völlig andere, eventuell auch unerwünschte Wirkungen finden, blieb bislang im Dunkeln. „Wir müssen alles über eine Substanz erfahren. Nur so können wir ihren biologischen Wirkmechanismus verstehen und auch etwaige Nebenwirkungen so früh wie möglich erkennen“, so Frank.
Das Projekt EU-OPENSCREEN will die vielen einzelnen Labore, die in Europa Tests durchführen, zu einer Plattform zusammenführen. Es will das Wissen über biologische Wirkungen von chemischen Substanzen europaweit sammeln, vereinheitlichen und öffentlich zur Verfügung stellen. Im Rahmen des Projektes wollen die Forscher ihre Screening-Labore deshalb über die Landesgrenzen hinweg vernetzen und für andere Forscher öffnen.
Für die Europäische Union gehört dieses Vorhaben zu den wichtigen länderübergreifenden Forschungsinfrastrukturen der Zukunft. Sie fördert deshalb eine dreijährige Vorbereitungsphase mit 3,7 Millionen Euro. Diese beginnt im November 2010, zwölf europäische Länder sind daran beteiligt.
In den Laboratorien des Projekts können Forscher zehntausende von Substanzen in wenigen Stunden auf unterschiedliche biologische Wirkungen untersuchen. Diese automatisierten „Eignungstests“ schlagen an, wenn eine Substanz etwa ein bestimmtes Bakterienenzym hemmen oder das Wachsen von Krebszellen verhindern kann. Aber auch unerwünschte Wirkungen im menschlichen Organismus oder auf die Umwelt werden so sichtbar. „Dass Weichmacher in Kunststoffen Menschen und Tiere unfruchtbar machen können, hätte man mit vernetzten Testsystemen vielleicht rechtzeitig gefunden“, erläutert der Projektleiter. Im Rahmen des Projektes soll deshalb auch eine zentrale Datenbank mit sämtlichen Testergebnissen aufgebaut werden, die öffentlich zugänglich ist. Die Grundlagenforscher können über das Wissen von verschiedenen biologischen Effekten einer Substanz auch ganz neue Erkenntnisse über deren Wirkmechanismus gewinnen. Weiter wird es darum gehen, Messmethoden europaweit zu vereinheitlichen und vergleichbar zu machen. Nur dann ist gewährleistet, dass die Wissenschaftler nicht aneinander vorbei forschen.
Derzeit ist die Screening-Einheit des FMP, unter der Leitung von Dr. Jens Peter von Kries, eine der wenigen akademischen Plattformen in Deutschland mit offenem Zugang für Forschungsprojekte aus Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen. Im Rahmen von EU-OPENSCREEN sollen in ganz Europa weitere offene Screening-Labore dazu kommen.
In den kommenden drei Jahren wird das Projektteam zunächst die finanziellen, administrativen und rechtlichen Voraussetzungen für die zukünftige europäische Infrastruktur erarbeiten. Die Finanzierung von EU-OPENSCREEN muss dann durch die beteiligten Länder erfolgen.
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