Auf dem Weg zur bleifreien Technologie

09.11.2010 - Deutschland

Die Umstellung auf bleifreie Produkte ist in vollem Gang. Die Crux: Die umweltfreundlichen Alternativen müssen genauso leistungsfähig sein wie die bleihaltigen Varianten. Ein Beispiel sind Einspritzsysteme von Dieselmotoren. Mit Computersimulationsverfahren lassen sich bleifreie Funktionswerkstoffe schneller und gezielter aufspüren.

Der technische Fortschritt in der Automobilindustrie ist ungebrochen. Aber die Branche hat noch einige harte Nüsse zu knacken: »Bleifreie Werkstoffe« heißt eine der Herausforderungen - dahinter verbirgt sich eine EU-Umweltrichtlinie, die nach einem Stufenplan nach und nach sämtliche bleihaltigen Materialien und Bauteile aus Autos verbannt - unter anderem piezo-elektrische Bauteile. Diese sind beispielsweise wichtig für Dieselmotor-Injektoren, die die Zufuhr des Treibstoffs in den Verbrennungsraum steuern.

Das Problem: Bisher ist Blei-Zirkonat-Titanat (PZT) der Stoff der Wahl, wenn es um schnell schaltbare piezoelektrische Anwendungen im Auto geht. Alternativen zu finden, die ohne das Schwermetall Blei auskommen, ist jedoch keine leichte Aufgabe, denn im Rohzustand haben alle alternativ einsetzbaren Materialien noch nicht die gewünschten Eigenschaften. Ein Simulationsverfahren, das Forscher des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg entwickelt haben, bringt jetzt die Suche voran: »Wir müssen potentielle Kandidaten chemisch und physikalisch so modifizieren, dass sich das Ersatzmaterial am Ende ähnlich gut wie PZT verhält«, sagt Prof. Dr. Christian Elsässer, Gruppenleiter am IWM. Ein solcher Kandidat ist Kalium-Natrium-Niobat (KNN). Es ist wie PZT als Einkristall ferroelektrisch, doch als technische Keramik mit unkontrollierten atomaren Fehlstellen und Korngrenzen im Kristallgitter ist KNN als Werkstoff zunächst unbrauchbar. »Deshalb müssen wir aus der Not eine Tugend machen und die richtigen Dotierungen beziehungsweise Fremdatome einbringen, um die Eigenschaften des keramischen KNN zu verbessern«, erklärt Elsässer.

Wo und wie diese Dotierungen eingebracht werden müssen, berechnen die Forscher mit Hilfe der Computersimulation: Je nachdem, an welcher Stelle des Kristallgitters Fremdatome - wie etwa Kupfer - sitzen, ergeben sich andere ferroelektrische Eigenschaften. »Auf einem Platz gibt das Kupfer Elektronen ab, an anderer Stelle nimmt es lieber welche auf. Je nach Gitterplatz bilden sich Dipole oder eben nicht«, erläutert Elsässer. Solche und eine Vielzahl anderer festkörperphysikalischer Größen gilt es im Voraus zu ermitteln. Forscher erledigen dies mit Hilfe der »Physik im Computer«. Das ist eine bei weitem nicht triviale Aufgabe, denn die quantenmechanischen Berechnungen benötigen komplexe atomistische Modellsysteme und große Rechnerkapazität. Dafür lässt sich viel Zeit und Geld bei der Materialentwicklung sparen. Denn zum einen sind nicht so viele Synthese- und Analyse-Experimente im Labor nötig. Zum anderen liefert die Computersimulation auch wichtige thermodynamische Parameter für den Sinterprozess, etwa die Druck- und Temperaturbereiche, bei denen die Bauteile hergestellt werden müssen. »Die Ingenieure erhalten quasi gleich eine Syntheseanleitung für die Materialien«, sagt der Forscher.

Auf diese Weise kann die Automobilindustrie schneller ans bleifreie Ziel kommen. Doch nicht nur diese Branche profitiert von der Fraunhofer-Technologie: Bleihaltige Materialien findet man auch bei Frequenzfiltern von Handys oder in mechanischen Sensoren und Aktuatoren. Auch zum Speichern von immer größeren Datenmengen auf kleinstem Raum sind ferroelektrische Kondensatorbauteile im Rennen um Rekorde konkurrenzfähig.

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