Graphen für verbesserten Flammschutz von Kunststoffen
„Das Reizvolle von Graphen ist sein Multifunktionscharakter. Es gelingt mit geringen Mengen gleichzeitig den Flammschutz, die mechanischen Eigenschaften und die Leitfähigkeit zu verbessern“, sagt Projektleiter Schartel. Als spannend erachtet Schartel auch die Eigenschaft als Antitropfmittel. Graphen ist eng mit Graphit verwandt. Graphen besteht nur aus einer Lage von Kohlenstoffatomen und ist extra dünn. Obwohl die aus wenigen Graphenlagen bestehenden Werkstoffe seit mehr als 100 Jahren bekannt und als Bleistiftstrich auf Papier allgegenwärtig sind, wird erst seit wenigen Jahren an der Entwicklung von Anwendungen von Graphenen gearbeitet.
Auslöser dieser Aktivitäten war, dass an einzelnen Atomlagen des bienenwabenförmig strukturierten Kohlenstoffmoleküls herausragende Materialeigenschaften gemessen werden konnten. Graphen ist ein im Verhältnis zu seiner Dicke von nur einem dreimillionstel Millimeter ein extrem großflächiges, zweidimensionales Molekül mit Abmessungen von einem Millimeter. Es ist transparent, extrem elektrisch leitfähig, chemisch beständig und weist zudem eine hohe mechanische Beständigkeit auf. Darüber hinaus zeigt es eine hohe Undurchlässigkeit gegenüber Gasen und Flüssigkeiten – alles Eigenschaften, die es, so die Einschätzung der Wissenschaftler, zu einem Hoffnungsträger für die Entwicklung neuer Hochleistungswerkstoffe machen.
Um Graphene und die ebenso interessanten Multilayer-Graphene (welche aus wenigen Lagen von Graphen bestehen) für neue Anwendungen, beispielsweise für verstärkte oder flammgeschützte Kunststoffe verfügbar zu machen, ist die BAM auch bei der Entwicklung neuer Herstellungsverfahren aktiv. Diese haben das Ziel, die derzeit noch extrem hohen Herstellungskosten von Graphenen zu senken und neue Materialqualitäten bereitzustellen. Unter der Leitung des BAM-Wissenschaftlers Asmus Meyer-Plath werden dazu Hochtemperaturverfahren entwickelt, die Graphene durch eine explosionsartige Zerteilung der Graphenvorstufe Graphitoxid erzeugen. Ein neuartiges plasmabasisertes Zerteilungsverfahren erlaubt hingegen, direkt aus Graphit weniger als einen Zehntausendstel Millimeter (oder 0,0001 mm) kleine Graphitflocken herzustellen. „Diese sind zwar dicker als Multilayer-Graphen, könnten aber zum Beispiel als Schmiermittel sehr interessant sein“, sagt Meyer-Plath.
Die Aktivitäten der BAM werden im Rahmen des Institutsforschungsverbundes „FUNgraphen“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und von einem Industriebeirat begleitet. Zum Forscherteam „FUNgraphen“ gehören neben der BAM, das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik (IWM) in Freiburg unter Leitung von Andreas Kailer, der Lehrstuhl für Polymere Werkstoffe der Universität Bayreuth von Prof. Volker Altstädt und das Freiburger Materialforschungszentrum (FMF) der Albert-Ludwigs-Universität mit den Arbeitskreisen der Professoren Christian Friedrich, Michael Moseler und Rolf Mülhaupt.
Durch die Zusammenarbeit mit der Industrie ist es dem Verbund gelungen, weitere interessante Ergebnisse zu erarbeiten: In Bayreuth konnte zum Beispiel durch den Zusatz von Graphen, die Zellgrößen von Polystyrol-Schäumen erheblich verkleinert werden. Im Ergebnis wird so eine neue Qualität der Wärmedämmwirkung von Schaumstoffen möglich, die beim Einsatz in der Gebäudeisolation zur Verminderung von Heizkosten beitrüge.
Der Arbeitsgruppe von Prof. Rolf Mülhaupt vom Freiburger FMF gelang es, durch die Einarbeitung von Graphenen in Kunststoffe und Gummi, diese Werkstoffe mechanisch zu verstärken und zugleich elektrisch leitfähig und gasdichter zu machen, als es bisher mit Kohlenstoffpartikeln möglich war. Auf diese Weise können sie „dazu beitragen, die Ressourcen- und Energieeffizienz von Kunststoffen erheblich zu steigern“, sagt der geschäftsführende Direktor des FMF Prof. Rolf Mülhaupt, der auch Koordinator sowie Sprecher des Verbundes FUNgraphen ist. Die neuen Materialien gelten auch als vielversprechend für einen Einsatz in Benzintanks und Kraftstoffleitungen, aber auch in Leichtlauf-Autoreifen. Den Freiburgern ist es zudem gelungen, die Graphen-Herstellung in größeren Mengen durchzuführen.