Wetterextreme heizen Klimawandel an
Die Erderwärmung könnte sich durch meteorologische Extremereignisse selbst verstärken
© Marcel van Oijen
© Nature, Ausgabe vom 15.8.2013, doi 10.1038/nature12350
© Nature, Ausgabe vom 15.8.2013, doi 10.1038/nature12350
Die Hitzewelle, die Mittel- und Südeuropa im Sommer 2003 glühen ließ, alarmierte die Klimaforscher. Denn sie gehörte zu den ersten großflächigen Wetterextremen, anhand derer Wissenschaftler umfassend dokumentierten, wie Hitze und Trockenheit den Kohlenstoffzyklus, also den Austausch von Kohlendioxid zwischen Landökosystemen und Atmosphäre, beeinflussten. Die Messungen deuteten darauf hin, dass sich klimatische Extremereignisse viel stärker auf die Kohlenstoffbilanz auswirken als bis dahin angenommen. Möglicherweise schwächen Dürren, Hitzewellen oder Stürme also die Pufferwirkung, die terrestrische Ökosysteme im Klimasystem ausüben. Pflanzen und Böden haben nämlich in den vergangenen 50 Jahren bis zu 30 Prozent der Kohlendioxid-Menge aufgenommen, die der Mensch vor allem aus fossilen Brennstoffen freisetzte.
Die Hinweise auf die unterschätzte Rolle von extremen Wetterereignissen im Kohlenstoffhaushalt veranlassten Wissenschaftler aus acht Nationen, das Projekt CARBO-Extreme zu starten. Darin untersuchten sie erstmals weltweit und systematisch die Folgen der verschiedenen extremen Klimaereignisse für Wälder, Sümpfe, Graslandschaften und Ackerflächen.
Satelliten und Messstationen dokumentieren Extremereignisse
Für ihre Studie aus der Perspektive der Ökosysteme verfolgten die Forscher um Markus Reichstein verschiedene Ansätze. Zum einen verrieten ihnen Satellitenmessungen aus den Jahren 1982 bis 2011, wie viel Licht Pflanzen in einem Gebiet absorbieren, um damit Fotosynthese zu betreiben. Daraus können sie ermitteln, wie viel Biomasse das jeweilige Ökosystem während oder nach einem extremen Wetterereignis aufbaut. Zum anderen griffen die Forscher auf Daten eines weltweiten Netzes von 500, teilweise seit mehr als 15 Jahren arbeitenden Messstationen zurück, die wenige Meter über dem Boden beziehungsweise über den Baumkronen eines Waldes die Kohlendioxid-Konzentrationen in der Atmosphäre sowie die Luftströmungen aufzeichnen. Aus diesen Werten ergibt sich, wie viel Kohlenstoff ein Ökosystem in Form von Kohlendioxid aufnimmt und abgibt.
Mit den verschiedenen Messdaten fütterte das Team dann aufwendige Computermodelle, um den globalen Effekt der Wetterextreme auf die Kohlenstoffbilanz zu berechnen. Demnach haben klimatische Extremereignisse auch extreme Auswirkungen auf den Kohlenstoffkreislauf: Die Vegetation nimmt im Schnitt jährlich rund elf Milliarden Tonnen weniger Kohlendioxid auf als in einem Klima ohne Wetterextreme. „Das entspricht in etwa der Menge an Kohlenstoff, die an Land jährlich längerfristig gespeichert wird“, sagt Markus Reichstein. „Sie darf daher nicht vernachlässigt werden.“
Dürren setzen der Vegetation besonders zu
Bisher haben sich Dürren, Hitzewellen, Stürme und Starkregen durch den menschengemachten Klimawandel zwar noch nicht deutlich gehäuft und verstärkt. Viele Klimaforscher erwarten aber, dass das künftig der Fall sein wird. Dann würde die Atmosphäre durch die zusätzlichen und heftigeren Wetterextreme auch mit zusätzlichem Kohlendioxid belastet.
Insbesondere extreme Dürreperioden reduzieren deutlich die Menge an Kohlenstoff, die Wälder, Wiesen und landwirtschaftliche Nutzflächen aufnehmen. „Wir haben festgestellt, dass die meisten Probleme für den Kohlenstoffhaushalt nicht durch extreme Wärme, sondern durch Trockenheit entstehen“, erläutert Markus Reichstein. Besonders starke, vielfältige und langfristige Effekte von extremen Wetterereignissen erwarten er und seine Kollegen für Waldökosysteme. So kann eine Dürre Bäumen nicht nur unmittelbar schaden, sie macht sie auch anfälliger für Schädlinge und Feuer. Zudem erholt sich ein Wald nach einem Feuer oder Sturmschaden sehr viel langsamer als andere Ökosysteme, wobei etwa ein Sturm einer Graslandschaft gar nichts anhaben kann.
Wie die Forscher zudem herausfanden, verteilen sich die extremen Einbrüche in der Kohlenstoffaufnahme, wie etwa Lawinen oder Erdbeben, entsprechend einem Skalierungsgesetz. Das bedeutet, dass wenige große Ereignisse den globalen Gesamteffekt dominieren, während die häufigeren kleinen Ereignisse weltweit eine deutlich geringere Rolle spielen.
Heute noch sehr seltene Wetterextreme müssen besser erforscht werden
Um die Folgen der Extremereignisse noch besser zu verstehen, planen die Forscher weitere Studien. So wollen sie die Reaktionen der verschiedenen terrestrischen Ökosysteme in Labor- und Freilandexperimenten untersuchen. „Solche Experimente gibt es zwar bereits, sie betrachten aber meist nur Extremereignisse, die einmal in 100 Jahren auftreten“, erklärt Michael Bahn, ein Projektpartner von der Universität Innsbruck. „Wir sollten auch Ereignisse in den Blick nehmen, die bisher nur einmal in 1000 oder gar 10000 Jahren auftreten, weil sie gegen Ende dieses Jahrhunderts viel häufiger werden dürften.“ Außerdem regen die Forscher an, etwa bei einer Dürre oder einem Sturm Satelliten möglichst schnell auf eine betroffene Region zu richten, um den unmittelbaren und langfristigen Effekt lückenlos erfassen zu können.
Auch die Untersuchungen der aktuellen Studie zeigen jedoch bereits, dass die Folgen der Wetterextreme weitreichend sein können: „Da klimatische Extremereignisse die Kohlenstoffmenge reduzieren, die Landökosysteme aufnehmen, und der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre mithin weiter zunimmt, könnte es wiederum zu vermehrten Wetterextremen kommen“, erklärt Markus Reichstein. „So ergäbe sich ein selbst verstärkender Effekt.“
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