Nano-Material bremst Ionen aus

24.04.2014 - Deutschland

Ionen sind unverzichtbare Werkzeuge in der Chipherstellung, man kann mit den elektrisch geladenen Atomen aber auch Nano-Siebe mit feinst verteilten Poren herstellen, wenn man ihnen vor dem Beschuss besonders viele Elektronen entzieht. Solche hochgeladenen Ionen verlieren auf dem Weg durch eine nur einen Nanometer dünne Membran entweder erstaunlich viel oder fast gar keine Energie. Über diese Entdeckung, die einen wichtigen Schritt hin zu neuartigen elektronischen Bauteilen aus Graphen bedeutet, berichten Forscher vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und der TU Wien in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“.

HZDR

Das linke Ion wird durch die Kollision mit einem Atom in der nur einen Nanometer dicken Membran abgelenkt (roter Pfeil) und verliert dabei wesentlich mehr Energie als bisher gedacht, das rechte Ion fliegt fast ungehindert durch die Membran hindurch.

Hochgeladene Ionen richten zwar räumlich sehr begrenzt, dafür aber umso effizienter Schaden auf einer Materialoberfläche an. Das macht sie zu einem idealen Werkzeug für Spezialaufgaben wie etwa die, hauchdünne Folien aus Kohlenstoff mit nur einem Nanometer Dicke zu perforieren (1 Nanometer = 1 Millionstel Millimeter). So entsteht ein technologisch nutzbares Nano-Sieb, um beispielsweise unterschiedliche Gase zu trennen.

„Man kann den Beschuss eines Materials mit Ionen mit den Stößen von Billardkugeln vergleichen“, so Richard Wilhelm, Doktorand im HZDR. „Ein professioneller Spieler weiß genau, in welchem Winkel er eine Kugel treffen muss, um seinen Zug zu machen. Er berechnet dabei auch die Energie, die von einer Kugel auf eine oder mehrere andere übertragen werden soll.“ Ähnlich verhält es sich mit Ionen, die mit den Atomen im Material kollidieren. Durch sehr viele Stöße werden die Ionen auf ihrem Weg nach und nach abgebremst und verlieren stetig Energie – wie eine Kugel, die in einem Baumstamm eindringt und dort zum Stillstand kommt.

Für ein hauchdünnes Material, das aus nur wenigen Atomlagen besteht, trifft diese Analogie jedoch nicht zu – so das erstaunliche Ergebnis der aktuellen Experimente im Ionenstrahlzentrum des HZDR. Erstmals haben Wilhelm und seine Kollegen aus Dresden und Wien in Experimenten beobachtet, dass hochgeladene Ionen entweder fast unbeeinflusst durch eine Nano-Membran fliegen oder aber erstaunlich viel Energie dabei verlieren. Bisher ging man dagegen davon aus, dass Ionen im Mittel immer gleich viel Energie verlieren. „Mit unseren Experimenten konnten wir zeigen, dass der Energieverlust im Material in erheblichem Maße vom Ladungszustand der Ionen abhängt. Dabei vermuten wir eine generelle Relation, die man bisher bei den üblicherweise verwendeten dickeren Materialien und den geringen Ladungszuständen der Ionen nicht beobachten konnte“, erklärt Richard Wilhelm.

Um den neu entdeckten Effekt überhaupt sehen zu können, darf die Membran nicht dicker als ein Nanometer sein – aufwendig hergestellt wurde die auf einem Träger frei aufgehängte Membran aus Kohlenstoff an der Universität Bielefeld. Zudem müssen die Ionen eine hohe positive Ladung aufweisen, das heißt, dass ihnen zuvor viele Elektronen entzogen worden sind. Zum Einsatz kamen bis zu 30-fach geladene Xenon-Ionen. Treffen die Xenon-Ionen auf die superdünne Membran, kommt es zu zwei unterschiedlichen Arten von Ereignissen. Während ein Ion quasi ungehindert zwischen den Kohlenstoff-Atomen der Nano-Membran hindurchfliegen kann, kollidiert ein anderes Ion mit einem der Atome im Material. Dabei durchquert es die Elektronenwolke des Atoms und saugt die negativ geladenen Elektronen auf. Dieser Elektroneneinfang führt beinahe zur Neutralisation des Ions mit der Folge, dass es erheblich abgebremst wird. Abhängig vom Winkel, in dem das Ion nach dem Stoß weiterfliegt, beträgt der Energieverlust bis zu zehn Prozent.

„Wundermaterial“ Graphen

Als nächsten Schritt wollen die Forscher vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf und der TU Wien mit dem vielversprechenden Material Graphen arbeiten. Graphen ist Kohlenstoff, der nur eine Atomlage dick ist. Es hat fast exotische Eigenschaften, ist extrem stabil, dabei durchsichtig und ein Metall. „Mit Graphen beschäftigen sich derzeit zwar sehr viele Gruppen weltweit, aber nur sehr wenige bauen in das zweidimensionale Material Fremdatome ein. Wenn dies routinemäßig durch Ionenimplantation gelänge, könnte man neuartige elektronische Bauteile mit unverhofften Fähigkeiten herstellen“, erläutert Richard Wilhelm. Auch für die Experimente mit Graphen stehen Im Ionenstrahlzentrum des HZDR gleich mehrere Anlagen zur Erzeugung hochgeladener Ionen zur Verfügung, und die TU Wien ist als langjähriger Forschungspartner wieder tatkräftig mit dabei.

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