Erstmals wandernde Defekte im "Wundermaterial" Graphen analysiert
Universität Wien
In jedem Material finden sich Defekte auf der atomaren Skala. Für konventionelle Materialien bleiben sie jedoch – außer an der Oberfläche – in einer viel größeren Gruppe von perfekt angeordneten Atomen des Kristalls verborgen. Für ein zweidimensionales Material wie Graphen ist das jedoch anders.
Graphen ist nur ein Atom dick und seine Atome sind in einer Bienenwaben-artigen Struktur angeordnet. Seit seiner Entdeckung 2004 werden immer mehr außergewöhnliche Eigenschaften des Materials erforscht. Graphen ist härter als Diamant und leitet Strom besser als Kupfer, trotzdem ist es durchsichtig und überaus flexibel. Da sich alle Atome in Graphen an der Oberfläche befinden, sind die einzelnen Atome und Defekte im hochauflösenden Elektronenmikroskop direkt sichtbar. Alle Atome interagieren mit ihrer Umgebung.
Aus Sechsecken werden Fünf- und Siebenecken
Der Defekt, auf den sich die Wissenschafter in der jüngst veröffentlichten Studie konzentrieren, ist eine Fehlstelle aus zwei benachbarten fehlenden Atomen im Kristallgitter. In der stabilsten Form dieses Defekts transformieren die Sechsecke, die im perfekten Gitter dominieren, in vier Fünfecke und vier Siebenecke (Kohlenstoffringe mit jeweils fünf und sieben Atomen). In früheren Experimenten sind einzelne Defekte während der Beobachtung sehr schnell größer geworden oder haben wieder perfektes Graphen geformt. Das machte eine kontinuierliche Abbildung der Diffusion dieser Fehlstellen über längere Zeit unmöglich.
Einzigartiges Elektronenmikroskop ermöglicht längere Beobachtungszeiträume
Die Studie wurde mit dem neuen Nion UltraSTEM-Elektronenmikroskop durchgeführt, das 2013 für die Professur von Jannik Meyer von der Universität Wien angekauft wurde. Es zeichnet sich unter anderem durch Ultrahoch-Vakuum-Bedingungen und niedrige Beschleunigungsspannungen aus. Dadurch sind die Defektstrukturen über längere Zeiträume stabil, so dass Statistiken über die Defektbewegung möglich wurden. Die Wissenschafter benutzten den Elektronenstrahl des Mikroskops, um den Defekt zwischen verschiedenen Anordnungen zu transformieren. Das hatte eine Wanderung der Fehlstelle von einem Moment zum nächsten zur Folge.
"Es war faszinierend zum ersten Mal zu sehen, wie sich ein Defekt auf atomarer Ebene fortbewegt und sich verändert, während wir ihn beobachten", so Jani Kotakoski, Post-Doc an der Universität Wien und Erstautor der Studie. Eine sorgsame Analyse des Pfads, den der Defekt auf seiner Reise durch den Kristall nimmt, hat eine Zufallsbewegung zum Vorschein gebracht. "Unsere Arbeit öffnet neue Möglichkeiten für die direkte Untersuchung von Defektdiffusion in niedrigdimensionalen Materialien, die wiederum neue Einblicke in die Defektdynamik in Festkörpern bringen können", resümiert der Autor.