Die Nano-Welt als Zeitlupenfilm
Forscher entwickeln neues Mikroskop
Max Eisele
Die moderne Nanotechnologie macht sich heute das zunutze, was die Natur schon immer konnte: Durch gezielte Strukturierung auf der Längenskala von Nanometern – dem milliardsten Teil eines Meters – können künstliche Materialien mit neuen Eigenschaften entwickelt werden. Ein Beispiel sind Halbleiterbauelemente für die Hochgeschwindigkeitselektronik. Um die Funktion solcher Strukturen zu verstehen und diese noch schneller, kleiner und effizienter zu machen, will man möglichst direkt verfolgen, wie sich Elektronen auf der Längenskala weniger Atomdurchmesser bewegen. Da solche Vorgänge sehr schnell ablaufen, wird in der Mikroskopie seit Jahren fieberhaft versucht, exzellente Ortsauflösung mit höchster Zeitauflösung zu verbinden.
Das Team um Prof. Huber hat nun ein Mikroskop vorgestellt, das genau dies leistet. Exzellente Ortsauflösung erreichen die Physiker, indem sie Licht auf eine winzige Metallspitze fokussieren. Diese sammelt das Licht und bündelt es an ihrem Ende auf einen Raumbereich von zehn Nanometern in allen drei Raumrichtungen – milliardenfach stärker als in einem normalen Lichtmikroskop. Wird die Spitze nun über eine Probenoberfläche gerastert, so streut sie einfallendes Licht unterschiedlich, je nachdem, welche lokalen Eigenschaften die Probe direkt unterhalb der Spitze aufweist. Die Forscher beleuchteten die Metallspitze nun mit infraroten Lichtblitzen, die nur wenige Femtosekunden lang sind. Eine Femtosekunde ist dabei die unvorstellbar kurze Zeitspanne eines Millionstel einer Milliardstel-Sekunde. Um das gestreute Licht mit höchster Zeitauflösung zu erfassen, benutzten die Physiker Sensoren, die so schnell sind, dass sie selbst infrarotes Licht beim Schwingen beobachten konnten.
Wie in einem Zeitlupenfilm können diese Blitze eine Folge von Schnappschüssen winziger und superschneller Elektronenbewegungen aufnehmen. In einem spektakulären ersten Demonstrationsexperiment drehten die Forscher einen 3D-Film von einer bislang nur indirekt zugänglichen Elektronenbewegung an der Oberfläche von Halbleiter-Nanodrähten. Die am CNR - Istituto Nanoscienze in Pisa hergestellten Nanostrukturen sind besonders für die künftige Hochgeschwindigkeitselektronik interessant. Neben technologischen Fragestellungen in der Elektronik oder Photovoltaik dürfte das neue Mikroskop ein breites interdisziplinäres Anwendungsfeld finden, das von der Erforschung der physikalischen Eigenschaften in exotischen Materialien bis hin zu biologischen Vorgängen auf molekularer Ebene reicht.
Originalveröffentlichung
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