Kühlen mit Molekülen
Forscher der Universitäten in Bielefeld, Manchester und Saragossa stellen Tieftemperaturexperiment vor
Nature Communications
Minus 272,15 Grad Celsius entsprechen genau einem Kelvin. Deswegen nennen die Forscher ihre Entwicklung „Sub-Kelvin-Kühlung". Um kühle Temperaturen zu erreichen, wird gewöhnlich ein Effekt genutzt, der sich bei der Verwendung von Spraydosen beobachten lässt. Wer schon einmal etwas länger auf eine Sprayflasche gedrückt hat, konnte feststellen, dass das ausströmende Medium dabei kälter wird. Normale Kühlschränke nutzen dieses Verhalten ebenfalls. In beiden Fällen kühlt sich gasförmiges Kühlmittel ab, wenn es sich von hohem zu niedrigem Druck ausdehnt.
Wie aber erreicht man richtig tiefe Temperaturen im Bereich weniger Kelvin? Dafür wird heutzutage Helium als Kühlmittel eingesetzt. Das wird jedoch immer rarer. „Das sehr seltene Helium-3-Isotop, mit dem man auch einige Zehntel Kelvin erreichen kann, ist inzwischen praktisch unbezahlbar", sagt Professor Dr. Jürgen Schnack, Mitautor der Studie und Physiker an der Universität Bielefeld. Magnetische Substanzen können ebenfalls zum Kühlen eingesetzt werden. Dazu gehören vor allem paramagnetische Salze. Ihre Abkühlung hat nichts mit Druck zu tun. Sie kühlen ab, wenn das äußere Magnetfeld, das zum Beispiel von einem Elektromagneten erzeugt wird, abnimmt. Indem der Stromfluss durch die Magnetspule verringert wird, verringert sich auch das Magnetfeld und die paramagnetischen Salze kühlen ab.
In ihrem Artikel berichten die Wissenschaftler aus Saragossa, Manchester und Bielefeld über die erfolgreiche Sub-Kelvin-Kühlung mit einem alternativen Medium – den magnetischen Molekülen. Das sind Moleküle, die magnetische Ionen, zum Beispiel Gadolinium enthalten. „Sie können heutzutage in größeren Mengen erzeugt werden und sind damit im Vergleich zum Helium gut verfügbar", sagt Professor Eric J. L. McInnes PhD, in dessen Arbeitsgruppe an der University of Manchester die untersuchten Moleküle synthetisiert wurden.
Das magnetische Molekül, mit dem seine Kollegen und er experimentiert haben, wird „Gd7" abgekürzt. Es hat – ganz passend – die geometrische Struktur einer Schneeflocke. Wie die Computersimulationen aus der Arbeitsgruppe von Professor Schnack zeigen, kühlt es sich in einem verringernden Magnetfeld erst ab, erwärmt sich dann wieder, um sich schlussendlich im verschwindenden Magnetfeld wieder abzukühlen. „Wir waren richtig begeistert, als die theoretischen Rechnungen das komplexe Verhalten detailliert erklären konnten", sagt der Professor für Theoretische Physik. „Im Vergleich zu paramagnetischen Salzen, bei denen die Temperatur stets mit abnehmendem Magnetfeld sinkt, zeigen Moleküle wie Gd7 ein komplexeres Verhalten. So kann man mit ihnen sehr tiefe Temperaturen erreichen, ohne das Magnetfeld vollständig abzuschalten", berichtet Dr. Marco Evangelisti, in dessen Gruppe an der Universidad de Zaragoza die Tieftemperaturexperimente durchgeführt wurden.
Man muss wissen, dass bei solchen Simulationen mit gigantischen Matrizen, also speziellen Zahlenfeldern, gerechnet wird. Wir sind froh, dass uns in Bielefeld für diese Zwecke ein leistungsstarker Superrechner zur Verfügung steht", sagt Schnack. Das Computersystem leistete laut dem Forscher nicht nur in dem Projekt zur magnetischen Kühlung wertvolle Arbeit, sondern auch für die Forschergruppe 945 „Nanomagnete", die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird.
Originalveröffentlichung
Joseph W. Sharples, David Collison, Eric J. L. McInnes, Jürgen Schnack, Elias Palacios, Marco Evangelisti; "Quantum signatures of a molecular nanomagnet in direct magnetocaloric measurements."; Nature Communications 2014.