Bohrloch ist nicht gleich Bohrloch: Technikabhängige Emissionen bei US-Gas-Förderung

Erschließung und Betrieb von Schiefergas-Vorkommen unterscheiden sich deutlich in der Menge an flüchtigen Kohlenwasserstoffen, die in die Atmosphäre freigesetzt werden

02.12.2014 - USA

Bohrloch ist nicht gleich Bohrloch. Mit mobilem Messgerät haben Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gasförmige Verbindungen bei der Förderung von Öl und Erdgas in den USA untersucht. Dabei konnten erstmals die Emissionen von organischen Schadstoffen während eines Fracking-Prozesses mit offenem Auffangspeicher in hoher zeitlicher Auflösung vermessen werden. Die gemessenen Höchstwerte bei diesem offenen Prozess lagen rund einen Faktor 1000 über typischen Mittelwerten in Stadtluft, wie in der Fachzeitschrift ACP berichtet wird.

F. Geiger/KIT

Das KIT-Messgerät an Bord eines Minivans ermöglicht es, atmosphärische Emissionen direkt vor Ort und mit hoher zeitlicher Auflösung zu vermessen.

Der Ausstoß von Spurengasen in Öl- und Gasfeldern wurde von den KIT-Forschern in den USA (Bundesstaaten Utah und Colorado) zusammen mit US-amerikanischen Instituten untersucht. Es wurden Hintergrundkonzentrationen sowie die Abgasfahnen einzelner Förderquellen und Fracking-Anlagen untersucht. Die mehrwöchigen Luftqualitätsmessungen fanden im Rahmen der „Uintah Basin Winter Ozone Study“ statt, koordiniert von der „National Oceanic and Atmospheric Administration“ (NOAA).

Das Augenmerk der KIT-Messungen lag auf gesundheitsschädlichen aromatischen Kohlenwasserstoffen in der Luft, wie unter anderem das krebserregende Benzol. Es wurden die Maximalwerte in den Abgasfahnen der Bohrlöcher bestimmt. Einige Förderanlagen emittierten etwa bis zu hundertmal mehr Benzol als andere. Die höchsten Werte von einigen Milligramm Benzol pro Kubikmeter Luft wurden windabwärts von einer offenen Fracking-Anlage gemessen, wo zurückfließende Bohrflüssigkeit in offenen Becken und Tanks lagert. Wesentlich besser schnitten bereits produzierende Öl- und Gasförderanlagen sowie Anlagen mit geschlossenen Produktionsabläufen ab. In Deutschland ist Benzol am Arbeitsplatz stark reglementiert: Die Bundesimmissionsschutzverordnung gibt für Benzol einen Jahresgrenzwert zum Schutz der menschlichen Gesundheit von 5 Mikrogramm pro Kubikmeter an, also rund einen Faktor 1000 niedriger als die an der offenen Fracking-Anlage gemessenen Werte. Die Messergebnisse veröffentlichten die Forscher im Fachmagazin Atmospheric Chemistry and Physics ACP.

„Charakteristische Emissionen von Spurengasen gibt es überall; diese sind symptomatisch für die Öl- und Gasförderung, aber es gibt hier wesentliche Unterschiede zwischen verschiedenen Technologien“, erläutert Felix Geiger vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK) des KIT, einer der Erstautoren der Studie. Mit geschlossenen Auffangbehältern und sogenannten Vapour-Capture-Systemen beispielsweise können die im Betrieb austretenden Gase aufgefangen und deutlich reduziert werden.

„Die Gasfelder in den spärlich besiedelten Gebieten Nordamerikas sind ein schöner Schaukasten, wenn man die ganze Bandbreite der Auswirkungen der verschiedenen Förder- und Fracking-Techniken abschätzen will“, führt Professor Johannes Orphal aus, Leiter des IMK am KIT. „Im dicht besiedelten Deutschland sind die Rahmenbedingungen strenger und es wird mehr Gewicht auf Verringerung und Überwachung von Emissionen gelegt werden müssen.“

Zur Erschließung fossiler Rohstoffe aus unkonventionellen Lagerstätten steht Fracking immer mehr in der Diskussion. Durch das hydraulische Aufbrechen von geeigneten Schiefergesteinsschichten wird eine ökonomische Nutzung der dort eingeschlossenen fossilen Energieträger ermöglicht. Hierfür werden diese Gesteinsformationen gezielt angebohrt und mit großen Mengen von Wasser und zugesetzten Hilfsstoffen wie Sand, Zement und Chemikalien unter hohen Druck gesetzt. Durch dabei aufgebrochene Mikrostrukturen im Gestein wird dann das Abfließen von Öl bzw. Gas zur Oberfläche ermöglicht. Der Rückfluss der wässrigen Fracking-Flüssigkeit mit den darin gelösten Öl- und Gasbestandteilen zur Oberfläche hält typischerweise einige Tage an bis zur eigentlichen Produktionsphase von reinerem Erdöl oder Erdgas. Dieser Rückfluss wird aufgefangen und anschließend wiederverwendet, bis er letztendlich entsorgt werden muss. Die Luftbelastung hängt wesentlich von der Behandlung dieses Rückflusses in der Förderanlage ab. Darin unterscheiden sich die derzeit praktizierten Fracking-Technologien. Die vorliegende Studie untersuchte erstmalig die dadurch verursachten atmosphärischen Emissionen direkt vor Ort und mit hoher zeitlicher Auflösung. Dies erlaubt sogar, Emissionen den verschiedenen Betriebsteilen einer Förderanlage direkt zuzuordnen. Dazu wurde das am KIT neu entwickelte, kompakte und hochsensible Instrument, ein sogenanntes „Protonen-Transfer-Reaktion-Massenspektrometer“ (PTR-MS) in einen Minivan eingebaut und über Wochen bis auf wenige Dutzend Meter Abstand um die verschiedenen Förderstellen gefahren, um die Abgasfahnen einzelner Förderquellen und Fracking-Prozesse genau zu untersuchen.

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