Kraftstoff und Chemikalien aus Stahlwerksabgasen

03.07.2015 - Deutschland

Kohlenmonoxidreiche Abgase aus Stahlwerken werden nur zu einem kleinen Teil als Strom oder Wärme zurückgewonnen. Fraunhofer-Forscher haben einen neuen Verwertungsweg für diese stofflich ungenutzte Kohlenstoffquelle aufgetan: Sie konnten im Labormaßstab aus den Abgasen Kraftstoffe und Spezialchemikalien herstellen.

© Fraunhofer IME

Fraunhofer stellt in seinen Fermentationsanlagen mit Synthesegas aus Stahlwerken Alkohol und Aceton her. Daraus lassen sich Kraftstoffe und Spezialchemikalien gewinnen.

Die Abgasmengen, die in Stahlwerken entstehen, sind gigantisch: Mehrere Millionen Tonnen Kohlendioxid treten beispielsweise allein aus den Schloten der Duisburger Stahlwerke aus. Fraunhofer hat ein Verfahren entwickelt, mit dem aus diesen Abgasen Kraftstoffe und Spezialchemikalien gewonnen werden können. Die Forscher fermentieren die Gase mit Hilfe genetisch veränderten Bakterienstämmen zu Alkoholen und Aceton, setzen beide Stoffe katalytisch zu einem dieselartigen Zwischenprodukt um und stellen daraus Kerosin sowie Spezialchemikalien her. Beteiligt sind die Fraunhofer-Institute für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME in Aachen, für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen sowie für Chemische Technologie ICT in Pfinztal. Die Technologie ist während eines Fraunhofer-internen Projekts der Vorlaufforschung und in Einzelprojekten mit Industriepartnern entstanden. Aktuell funktioniert das patentierte Verfahren im Labormaßstab.

Geschäftsmodell statt Problem

»Allein die Mengen an Kohlenstoff, welche in Form von Kohlendioxid aus den Duisburger Stahlwerken rauchen, würden aus unserer Sicht ausreichen, um den kompletten Kerosinbedarf einer großen Airline zu decken. Natürlich sind wir von dieser Vision noch ein Stück entfernt. Aber dass die Idee funktioniert und wirtschaftlich interessant sein könnte, haben wir im Labormaßstab gezeigt. Neben den Abgasen der Stahlherstellung können auch Synthesegas-ähnliche Gasgemische aus der Haus- und Industriemüll-Verbrennung für das entwickelte Verfahren genutzt werden«, so Stefan Jennewein vom IME, der das Projekt koordiniert.

Die Biochemiker am IME nutzen Synthesegas – ein Gemisch aus Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Wasserstoff – als Kohlenstoffquelle für die Fermentation. Mit Bakterienstämmen der Gattung Clostridium wandeln sie das Synthesegas entweder in kurzkettige Alkohole, wie Butanol und Hexanol, oder zu Aceton um. Das IME hat dafür neue genetische Verfahren zur effizienten Integration großer Gencluster im Clostridien-Genom entwickelt. Gleichzeitig bauten die Forscher ihre Synthesegas-Fermentationsanlage weiter aus und nutzten sie für Versuche mit der Stahl- und Chemieindustrie.

Die Chemiker um Axel Kraft am UMSICHT verdampfen die noch restwasserhaltigen Fermentationsprodukte und koppeln in einem kontinuierlichen katalytischen Prozess die Fermentationsmoleküle zu einem Zwischenprodukt, bestehend aus längeren Alkoholen und Ketonen. Dieses Zwischenprodukt erfüllt bereits die Schiffsdieselnorm und lässt sich durch Hydrieren, ähnlich wie Fette und Öle, in Dieselkraftstoff für Fahrzeuge und Kerosin für Flugzeuge umwandeln. Kristian Kowollik aus der Abteilung Umweltengineering am ICT gewinnt aus dem Zwischenprodukt im Anschluss daran Spezialchemikalien, die erdölbasierte Produkte schon jetzt direkt ersetzen können. Amine beispielsweise kommen in der Pharmaindustrie oder beim Herstellen von Tensiden und Farbstoffen zum Einsatz. »Die von uns künstlich hergestellten Produkte können sowohl als Kraftstoffe als auch für Spezialchemikalien eingesetzt werden. Genau wie das bislang mit Erdöl als Rohstoffquelle funktioniert«, so Jennewein.

Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler zeigen, dass ihre Technologie auch mit großen Volumen funktioniert. »In den nächsten eineinhalb Jahren wollen wir die Prozesse noch besser verstehen und optimieren. Unser Ziel ist es, die Kraftstoffe für Zertifizierungsprozesse anzumelden. Dort wird ihre Praxistauglichkeit von offizieller Seite bestätigt. Das dauert für Fahrzeugdiesel etwa ein und für Kerosin etwa drei Jahre«, sagt Jennewein.

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