Shell verliert Milliarden wegen Ölpreisverfall und gestoppten Projekten
(dpa-AFX) Der Ölpreisverfall hinterlässt tiefe Spuren in der Bilanz von Shell. Weil der britische Ölkonzern deshalb auch ambitionierte Großprojekte aufgegeben hat, steht unterm Strich nach dem dritten Quartal der größte Verlust seit mehr als einem Jahrzehnt. Das Minus liegt bei 7,4 Milliarden US-Dollar (6,7 Mrd Euro), wie der Konzern am Donnerstag mitteilte. Das britisch-niederländische Unternehmen wurde vor allem vom Ölpreisverfall böse erwischt: Im Tagesgeschäft sorgten die niedrigen Preise für ein unerwartet schwaches Ergebnis. Wegen des Stopps großer Fördervorhaben in Kanada und Alaska kamen noch milliardenschwere Abschreibungen hinzu.
Vor Alaska hatte das Unternehmen bereits Ende September Probebohrungen gestoppt. Das Bohren nach Öl und Gas in Alaska ist wegen des fragilen Ökosystems ohnehin sehr umstritten. Das endgültige Aus waren aber die angesichts der verfallenen Ölpreise zu hohen Kosten. Am Dienstagabend gab der Konzern dann auch noch bekannt, ein Ölsandprojekt in Kanada einzustampfen - die niedrigen Preise machten die recht teure Fördertechnik unrentabel. Auch dieses Vorhaben stand wegen Umweltbelastungen stark in der öffentlichen Kritik. Zusammen schrieb Shell auf beide Projekte nun 4,6 Milliarden Dollar ab.
Weil der niedrige Ölpreis auch die zukünftigen Aussichten stärker belastet als gedacht, veranschlagte Shell weitere 3,7 Milliarden Dollar an Sonderbelastungen. Seit längerem setzt die Ölschwemme am Weltmarkt die Preise unter Druck, im Juni 2014 stand der Ölpreis je Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent noch bei rund 107 US-Dollar - zuletzt war er auf rund 47 Dollar abgesackt. Grund ist der Förderboom der Frackingindustrie in den USA, aber auch die weiter auf Hochtouren laufenden Förderpumpen das Opec-Kartells. Die Nachfrage dagegen schwächelt wegen einer verhaltenen Weltkonjunktur weiter.
Wie auch andere Ölkonzern gerät Shell beim Umsatz unter Druck. Im dritten Quartal rutschten die Erlöse um 37 Prozent auf 69,2 Milliarden Dollar ab. Auch im Tagesgeschäft musste Shell herbe Rückgänge hinnehmen. Das operative Ergebnis - der um Sondereffekte und Bestandsveränderungen bereinigte Gewinn - fiel im Jahresvergleich um 70 Prozent auf 1,77 Milliarden Dollar, womit der Konzern auch die Erwartungen von Analysten weit verfehlte. Der Kurs der Shell-Aktie vom Typ B verlor in London am Vormittag 1,3 Prozent.
Konzernchef Ben van Beurden hatte inmitten der Ölpreiswirren bereits die Strategie auf den Prüfstand gestellt und mit den teuren Stopps in Alaska und Kanada bedeutende Schritte gemacht. Damit soll der Konzern flexbiler werden. Im laufenden Jahr werden zudem 6500 Arbeitsplätze gestrichen, die Kosten sollen um 4 Milliarden Dollar gedrückt werden. Die Investitionen werden um 7 Milliarden Dollar zurückgefahren. Außerdem stehen milliardenschwere Beteiligungsverkäufe auf der Tagesordnung.
Van Beurden richtet den Konzern mit den Kostensenkungen auch auf den bevorstehenden Kauf des Gaskonzerns BG aus. Auf dem Tisch liegen dafür mehr als 70 Milliarden Dollar. Im Juli hieß es, ab einem Ölpreis von 67 Dollar je Barrel lohne sich das Geschäft. Anfang kommenden Jahres soll der Deal in trockene Tücher gebracht werden. Damit erhielte Shell größeren Zugang zu vielversprechenden Öl- und Gasfeldern vor der Küste Brasiliens sowie zur boomenden Schiefergasindustrie in den USA.
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