Zu viel Salz ist nicht nur für den Menschen schlecht, es schadet auch Gewässern. Die Versalzung von Gewässern wird allerdings laut einer aktuellen internationalen Studie unter Beteiligung der Universität Koblenz-Landau weltweit unterschätzt und die Folgen zu wenig beachtet. Die Wissenschaftler fordern daher Politik und Behörden in einem in der Fachzeitschrift „Science“ gerade veröffentlichen Artikel auf, die Versalzung künftig in ihrem Gewässermanagement zu berücksichtigen. Die Forscher haben Ursachen und Lösungen für verschiedene Versalzungsphänomene zusammengetragen und schlagen ein Konzept vor, wie die Versalzung reguliert werden sollte.
Weltweit gibt es viele Ursachen, die dazu führen, dass Gewässer versalzen: Landwirtschaft, Abwässer aus der Gewinnung von Ressourcen wie Berg- und Salzabbau oder das Ausbringen von Salz auf Straßen können eine erhöhte Salzkonzentration bewirken. In Deutschland liegen die Gründe für die Gewässerversalzung hauptsächlich in den Abwässern aus der chemischen und Kali-Industrie. Regional gibt es in Gewässern auch hohe Salzgehalte aufgrund der geologischen Bedingungen. „Künftig könnte auch Fracking zu einem erheblichen Anstieg an salzbelasteten Abwässern führen“, so Ralf Schäfer, Juniorprofessor für Landschaftsökologie am Institut für Umweltwissenschaften Landau der Universität Koblenz-Landau. Auch der Klimawandel und die zunehmende Nachfrage nach Trinkwasser sind Treiber der weltweiten Gewässerversalzung.
Versalzen Gewässer, sterben gewässertypische salzempfindliche Arten wie Eintags-, Stein- und Köcherfliegen. Dadurch nehmen Ökosystemdienstleistungen wie das Bereitstellen von Trinkwasser und Biodiversität ab. Begünstigt wird dagegen eine massenhafte Entwicklung salzrobuster Tierarten, Algen und Wasserpflanzen. Auch die Einwanderung gebietsfremder Arten wird begünstigt. Die Gewässerqualität nimmt ab. „Das könnte bedeuten, dass durch die Versalzung von Gewässern in Europa die Zielstellung des guten Zustandes, wie ihn die EU-Wasserrahmenrichtlinie vorgibt, nicht erreicht werden kann“, gibt Schäfer zu bedenken. Bei gravierender Versalzung, wie sie insbesondere in Südost-Asien auch von Trinkwasserreserven und auf landwirtschaftlichen Flächen vorkommt, entstehen bedeutende wirtschaftliche Schäden und die Kosten für die Trinkwasserbehandlung steigen. Regional sind sogar Überlebensfragen mit der Umweltbelastung verbunden.
Die Versalzung von Gewässern ist nicht neu. „Das Phänomen ist bekannt, es wird bisher allerdings kaum beachtet“, so Schäfer. Dies liegt einerseits daran, dass die Zunahme an Leitfähigkeit oder Ionen-Konzentration, die Versalzung anzeigt, typischerweise als Ausdruck von anderen Problemen betrachtet wurde wie Abwasserreinigung oder landwirtschaftliche Nährstoffeinträge. Andererseits sind sowohl Landwirtschaft als auch Ressourcenabbau wichtige wirtschaftliche Bereiche. „Deren starke Akteure dürften an einer strikten Regulierung allerdings kaum ein Interesse haben“, so Oliver Frör, Professor für Umweltökonomie am Institut für Umweltwissenschaften Landau der Universität Koblenz-Landau.
Die 23 Ko-Autoren der Studie, die alle bewohnten Kontinente abdecken, haben auf Basis ihrer Erfahrungen, wie in den jeweiligen Ländern und Regionen Versalzung gemanagt wird, ein Konzept entwickelt, wie die Belastung durch Salz reguliert werden könnte. Wie bei anderen Schadstoffen auch, sollen dafür in Experimenten zunächst für unterschiedliche Salzbelastungen Schwellenwerte abgeleitet werden, deren Einhaltung Ökosysteme nicht gefährdet.
„Es müssen dringend Umweltstandards entwickelt werden, um eine voranschreitende Versalzung von Gewässern aufzuhalten“, so Schäfer. Die Wissenschaftler sehen hierbei die Politiker über gesetzliche Regeln sowie Behörden und Ämter der Wasserwirtschaft gefordert. Auch sollten Forschung und Umweltverwaltung in enger Kooperation zusammenarbeiten, damit wissenschaftliche Erkenntnisse in Verwaltungshandeln umgesetzt werden können. „In unserem Konzept spielt die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, Politik und Verwaltung eine wesentliche Rolle“, so Frör. Dabei gelte es auch, Umweltschäden in ökonomische Rechnungen aufzunehmen, die bislang keine Beachtung gefunden haben. Wichtig sei außerdem der Erfahrungsaustausch mit Ländern, die bereits stark betroffen sind und schon Sanierungsmaßnahmen getroffen haben.
In ihrem Artikel stellen die Autoren verschiedene Lösungsansätze vor, wie sie teilweise schon praktiziert werden. Die Belastung von Gewässern ließe sich bereits durch einen reduzierteren Wassereinsatz in der Landwirtschaft sowie durch Alternativen zum Streusalz minimieren. Salzhaltige Abwässer, wie sie durch den Kali-Abbau entstehen, müssten beispielsweise mittels Eindampfen entsprechend behandelt und in Kläranlagen ein Verfahren zur Entsalzung eingesetzt werden, um die Salzfracht aus städtischen Gebieten zu reduzieren. „In Forschung und Entwicklung zur Wertstoffrückgewinnung müsste investiert werden“, so Ralf Schäfer.
Kali-Rückstandshalde Sondershausen mit Fließgewässer (Wipper) im Vordergrund, das anhand der Algen deutliche Spuren von Salzbelastung aufweist.
Claus-Jürgen Schulz, TLUG
Originalveröffentlichung
Cañedo-Argüelles M., Hawkins C.P., Kefford B.J., Schäfer R.B., Dyack B.J., Brucet S., Buchwalter, D. B., Dunlop, J.E., Frör, O. et al.; „Saving freshwater from salts: Ion-specific standards are needed to protect biodiversity“, Science; 25.02.2016