Wie aus Flüssigkeiten Feststoffe werden

10.03.2016 - Deutschland

Der herannahende Frühling zeigt sich derzeit nicht nur in Form von Krokussen, Schneeglöckchen oder Winterlingen. Wenn es Frühling wird, lassen sich in der Natur auch interessante materialwissenschaftliche Prozesse beobachten: Während es nachts oft noch so kalt ist, dass das Wasser auf Gehwegen und an Autoscheiben gefriert, bringt es die Sonne tagsüber zum Schmelzen. Die Temperaturunterschiede verwandeln das flüssige Wasser in den Feststoff Eis und umgekehrt.

Was in unseren Breiten ein vertrautes Naturschauspiel ist, kann in anderen Regionen das ökologische Gleichgewicht in Gefahr bringen. „Der Permafrostboden in Sibirien etwa taut durch den Klimawandel immer weiter auf“, sagt Dr. Irina Nizovtseva, die derzeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena forscht. Welche Auswirkungen das auf den Wasserkreislauf hat, dem ist die russische Mathematikerin und Physikerin bisher in ihrer Forschungsarbeit nachgegangen. Sie analysiert Schmelz- und Erstarrungsprozesse – allerdings nicht nur anhand von Eis und Wasser, sondern auch an anderen Materialien.

Am Jenaer Lehrstuhl für Metallische Werkstoffe etwa untersucht sie jetzt, welche Strukturen sich in metallischen Tröpfchen bilden, die aus einer Schmelze erstarren. Diesem Thema widmet sich die russische Wissenschaftlerin gemeinsam mit ihrem Gastgeber Prof. Dr. Dr. h. c. Markus Rettenmayr und seinem Team. Ihren Aufenthalt an der Uni Jena fördert die Alexander von Humboldt-Stiftung, die die 31-Jährige mit einem Forschungsstipendium für erfahrene Wissenschaftler unterstützt.

„Ich freue mich, meine Arbeit zum Schmelzen und Erstarren hier in der Gruppe von Prof. Rettenmayr und seinem Mitarbeiter Dr. Peter Galenko fortführen zu können“, sagt Irina Nizovtseva, die bis zum Frühjahr 2018 in Jena bleiben wird. Dafür braucht sie hauptsächlich einen leistungsfähigen Computer. Denn die Wissenschaftlerin, die aus der Millionenstadt Jekatarinburg an die Saale wechselte, arbeitet theoretisch: Sie simuliert die Prozesse, die beim Erstarren von Metalllegierungen ablaufen und die Struktur und damit die Eigenschaften dieser Materialien bestimmen. „Dabei geht es darum, die Vorgänge mit mathematischen Modellen möglichst präzise beschreiben und vorhersagen zu können“, erläutert die Humboldt-Stipendiatin. Solche Modelle lassen sich nicht nur in materialwissenschaftlichen Untersuchungen nutzen. Sie bilden auch die Grundlage von Klimamodellen oder zur Beschreibung der Wechselwirkungen zwischen Ozeanen und der Atmosphäre.

„Die theoretischen Grundlagen aus Dr. Nizovtsevas Arbeit sind eine wertvolle Ergänzung unserer Experimente und eigenen Simulationsrechnungen“, unterstreicht Prof. Rettenmayr. Aktuell arbeiten die Jenaer Forscher mit Dr. Nizovtsevas Unterstützung daran, den Einfluss von Strömungen in flüssigen Metallen zu untersuchen, die in Form von Tröpfchen in einem elektromagnetischen Feld in der Schwebe gehalten werden. Diese Strömungsprozesse beeinflussen die kristallinen Strukturen, die sich beim Erstarren der Schmelze herausbilden – und damit die Eigenschaften des Materials. „Wenn wir diese Zusammenhänge besser verstehen, können wir sie eines Tages bei der Herstellung von Materialien mit optimierten Eigenschaften nutzen“, erläutert Rettenmayr.

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