Schlecht geschmiert: Warum schmeckt Wein pelzig?

Adstringenter Geschmackseindruck von Wein ist Folge eines Schmierdefekts im Mund

15.04.2016 - China

Wer kennt es nicht, dieses spezielle Gefühl im Mund nach einem Schluck Rotwein, Tee oder einem Biss in unreifes Obst, das als trocken, ledrig oder auch pelzig beschrieben wird? Ausgelöst wird dieser adstringierende („zusammenziehende“) Effekt von Gerbstoffen (Tanninen) oder phenolischen Verbindungen, die gleitfähige Proteine der Mundschleimhaut binden. Ein chinesisch-koreanisches Forscherteam zeigt in der Zeitschrift Angewandte Chemie die Zusammenhänge zwischen Adstringens und gestörter Schmierung der Mundhöhle auf.

Meditations, pixabay.com, CC0

Diese gleitfähigen Proteine werden Mucine genannt und bestehen aus einer zentralen Proteinkette und Seitenketten aus Zuckerverbindungen, die eine große Menge an Wasser binden können. Mucine bilden eine Barriere und schützen die empfindlichen Schleimhäute vor Austrocknung und vor chemischen, aber auch vor mechanischen Einwirkungen – indem sie für die richtige Schmierung und entsprechend geringe Reibung sorgen. Der „Schmierfilm“ der Mundhöhle versagt, wenn Tannine ins Spiel kommen: Nach einem Schluck Wein fühlt sich die Zunge weniger gleitfähig an.

Diesen Reibungsaspekt hat das Team um Feng Zhou jetzt genauer unter die Lupe genommen. Die Wissenschaftler von der Chinese Academy of Sciences (Lanzhou) und dem Korea Advanced Institute of Science and Technology (Daejeon) verwendeten ein von der Mundschleimhaut abgesondertes hantelförmiges Mucin und Gerbsäure als Tannin, ein sternförmiges Polyphenol, das in Wein und unreifen Früchten vorkommt. Bindet die Gerbsäure an das Mucin, kommt es zu Wechselwirkungen, die die Wasserlöslichkeit der Proteine senkt. Die Mucine aggregieren und können ausflocken. Dies führt zu einem Versagen des Schmierfilms.

Mit einer Quarzkristall-Mikrowaage konnten die Forscher die Adsorption und das Ausflocken der Proteine verfolgen. Unter dem Rasterkraftmikroskop zeigte ein mit Mucin beschichtetes Substrat einen flachen dichten Film. Nach Zugabe von Gerbsäure waren viele Defekte im Film und eine deutlich rauere Oberfläche zu erkennen.

Die Forscher ermittelten die Reibung zwischen einem weichen Kunststoffball und einer mit Mucin bedeckten Glasoberfläche. Im Vergleich zu einer nur mit Wasser benetzten Oberfläche zeigt sie eine deutlich geringere Reibung. Zugabe von Gerbsäure erhöht die Reibung wieder erheblich. Kaffee, der ebenfalls Tannine enthält, wirkte ähnlich.

Um eine Zunge nachzuahmen, stellten die Wissenschaftler ein mucinhaltiges Kunststoffhydrogel her. In feuchtem Zustand zeigt das elastische, aber kaum reißfeste Material eine sehr geringe Reibung, es glitscht regelrecht durch die Finger. Auf einer geneigten Fläche des Hydrogels rutscht ein Gewicht rasch ab. Zugabe von Gerbsäurelösung macht das Gel klebrig; es beginnt durch Wasserverlust zu schrumpfen. Die mechanische Festigkeit nimmt deutlich zu, die Elastizität ab. Das Gewicht rutscht nicht mehr herab.

Auch die bioaktiven Proteine, die die Haut von Fischen glitschig halten, reagieren auf Tannine. Die Forscher entwickelten Handschuhe, die bei Berührung Gerbsäure freisetzen. Damit ließen sich Fische bequem greifen und festhalten.

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