Computer aus Erbgut?
Forscher leiten Strom durch DNA-basierte Nanodrähte
HZDR
Zunächst sieht es noch wie würmchenartige Striche vor schwarzem Hintergrund aus. Doch wie die Nahaufnahme mit dem Elektronenmikroskop zeigt, verbinden die nanometerkleinen Strukturen zwei elektrische Kontakte. Dieser Anblick erfreut Dr. Artur Erbe vom Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR. „Unsere Messungen haben ergeben, dass durch diese winzigen Drähte Strom fließt.“ Nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit, wie der Physiker betont. Immerhin handelt es sich bei den Bauelementen um modifizierte DNA. Um ihre Nanodrähte herzustellen, haben die Forscher einen langen Einzelstrang des Erbguts mit kürzeren DNA-Schnipseln über die Basenpaare zu einem stabilen Doppelstrang verbunden. Auf diese Weise nehmen die Strukturen selbstständig die gewünschte Form an.
„Mit Hilfe dieses Verfahrens, das sich an die japanische Papierfalttechnik Origami anlehnt und dementsprechend als DNA-Origami bezeichnet wird, können wir winzige Muster kreieren“, erläutert der HZDR-Forscher. „Denkbar sind hier auch extrem kleine Schaltkreise, die sich aus Molekülen und Atomen zusammensetzen.“ Diese Strategie, die Wissenschaftler „Bottom Up“-Verfahren nennen, will die konventionelle Produktionsweise elektronischer Bauelemente auf den Kopf stellen. „Bislang nutzt die Industrie die sogenannte ‚Top Down‘-Methode. Vom Grundmaterial werden so lange Teile weggeschnitten, bis man bei der gewünschten Struktur angekommen ist. Aufgrund der anhaltenden Miniaturisierung ist das aber bald nicht mehr möglich.“ Der neuartige Ansatz orientiert sich dagegen an der Natur: aus Molekülen entwickeln sich durch selbstorganisatorische Abläufe komplexe Strukturen.
Goldene Brücke zwischen Elektroden
Die Elemente, die dabei entstehen, wären wesentlich kleiner als die derzeit winzigsten Bauteile moderner Computerchips. Theoretisch könnten also kleinere Schaltkreise mit geringerem Aufwand hergestellt werden. Dabei gibt es jedoch ein Problem, wie Erbe zugibt: „Das Erbgut leitet Strom nicht besonders gut.“ Seine Kollegen und er haben deshalb über chemische Bindungen vergoldete Nanopartikel auf den DNA-Drähten platziert. Mit einer „Top Down“-Methode – der Elektronenstrahl-Lithographie – kontaktierten sie die einzelnen Drähte anschließend elektronisch. „Diese Verbindung zwischen den wesentlich größeren Elektroden und einzelnen DNA-Strukturen hat bisher technische Schwierigkeiten bereitet. Durch unsere Kombination der beiden Verfahren konnten wir das lösen. Dadurch konnten wir erstmals den Ladungstransport durch einzelne Drähte genau bestimmen.“
Wie die Untersuchungen der Dresdner Forscher gezeigt haben, fließt tatsächlich Strom durch die vergoldeten Drähte – allerdings abhängig von der umgebenden Temperatur. „Bei abnehmenden Graden sinkt gleichzeitig der Ladungstransport“, beschreibt Erbe die Ergebnisse. „Bei normaler Raumtemperatur funktionieren die Drähte aber gut, auch wenn die Elektronen teilweise von einem Goldpartikel zum nächsten springen müssen, da die Teilchen nicht komplett zusammenwachsen. Der Abstand ist allerdings so gering, dass er sich nicht einmal mit den derzeit besten Mikroskopen zeigen lässt.“ Um den Fluss zu verbessern, will das Team um Artur Erbe nun leitfähige Polymere zwischen die Goldpartikel einbauen. Auch der Metallisierungsprozess lässt sich nach Ansicht des Physikers noch optimieren.
Insgesamt ist er mit den Resultaten zufrieden: „Wir konnten demonstrieren, dass die vergoldeten DNA-Drähte Strom leiten. Zwar sind wir noch im Stadium der Grundlagenforschung, weswegen wir bislang auch Gold anstelle eines kostengünstigeren Metalls verwenden. Dennoch haben wir einen wichtigen Schritt gemacht, der elektronische Geräte auf DNA-Basis in Zukunft ermöglichen könnte.“