Organische Elektronik: Halbleiter als Abziehbild
Simon Noever, LMU
Heutige Computerprozessoren bestehen aus Milliarden Transistoren. Diese elektronischen Bauteile setzen sich in der Regel aus Halbleitermaterial, Isolator, Substrat und Elektrode zusammen. Das Ziel vieler Wissenschaftler ist es, jedes dieser Elemente als frei transportierbare Schicht herstellen zu können. So ließen sich durch einfaches Stapeln neue Transistoren designen.
Für das organische Halbleiter-Material Pentacen ist es jetzt soweit: Dr. Bert Nickel, Physiker an der LMU und im Exzellenzcluster Nanosystems Initiative Munich (NIM), und Prof. Dr. Andrey Turchanin von der Universität Jena konnten zusammen mit ihren Mitarbeitern erstmals eine stabile Schicht aus Pentacen-Molekülen herstellen.
In der Zeitschrift Advanced Materials präsentieren die Wissenschaftler ihr Rezept: Sie überziehen ein Siliziumplättchen dünn mit einem wasserlöslichen Kunststoff und bedampfen es mit Pentacen, bis sich eine etwa 50 Nanometer dicke Schicht gebildet hat. Nun folgt der entscheidende Schritt: Durch Bestrahlung mit niederenergetischen Elektronen vernetzen sich die obersten drei bis vier Molekülebenen der Pentacen-Schicht und bilden eine Art Haut. Diese ist nur rund fünf Nanometer dick, aber sie stabilisiert die gesamte Schicht so gut, dass man diese in Wasser im Ganzen mit einer Pinzette vom Siliziumplättchen abziehen und auf eine andere Oberfläche transportieren kann.
Neben ihrer Transportfähigkeit hat die neue Halbleiter-Schicht zahlreiche weitere Vorteile: Zum einen kommt die Methode ohne störende Lösungsmittel aus. Außerdem legt sich die Schicht so gleichmäßig und eng auf den Isolator, dass sie alleine über Van-der-Waals-Kräfte haftet und kaum elektrischer Widerstand an den Kontakten messbar ist. Und nicht zuletzt kann Pentacen in seiner neuen Form auf deutlich mehr Substrate aufgebracht werden als bisher.
Besonders interessant ist für die Wissenschaftler zudem, dass die hauchdünne Pentacen-Schicht so stabil ist, dass sie Millimeter große Löcher überspannen kann. Man stelle sich zum Größenvergleich ein 25-Meter-Becken vor – abgedeckt mit Frischhaltefolie.
„In solchen quasi freischwebenden Halbleitern steckt ein großes Potential“, erklärt Nickel. „Sie sind von zwei Seiten zugänglich, könnten über einen Elektrolyten verbunden werden und wären so zum Beispiel ein idealer Biosensor. Denn sobald sich Moleküle oder Zellen auf dem Halbleiter-Film absetzen, würde sich der Stromfluss ändern.“ Auch vorstellbar wäre es, durch Stapelung halbleitende Multischichten herzustellen, die in Solarzellen oder Leuchtdioden verwendet werden.
Originalveröffentlichung
Simon J. Noever, Michael Eder, Fabio del Giudice, Jan Martin, Franz Werkmeister, Stefan Hallwig, Stefan Fischer, Oliver Seeck, Nils-Eike Weber, Clemens Liewald, Fritz Keilmann, Andrey Turchanin und Bert Nickel; "Transferable organic semiconductor nanosheets for application in electronic devices"; Advanced Materials; 2017
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