Femtosekunden-Blick in FLASH-Elektronenpakete
Wissenschaftler charakterisieren mit externem Seeding Scheibchen von fast lichtschnellen Elektronenpaketen
Tim Plath, UHH/DESY
Seit 2005 produziert der DESY-Freie-Elektronen-Laser FLASH in Hamburg ultrakurze, hochbrillante Photonenpulse für eine breite Palette wissenschaftlicher Anwendungen. Die Lichtpulse werden durch Elektronenpakete erzeugt, die auf eine Geschwindigkeit nahe der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Diese Pakete haben Längen von weniger als 100 Mikrometern, dem Durchmesser eines menschlichen Haares. Nach der Beschleunigung durchfliegen sie eine Reihe von Magneten mit wechselnder Polarität, die Undulatoren, und senden dabei helles, weiches Röntgenlicht aus. Anders als konventionelle Synchrotron-Lichtquellen wie PETRA III zeigt sich beim Freie-Elektronen-Laser ein weiteres Phänomen: „Während des Emissionsprozesses organisieren sich verschiedene Bereiche des Elektronenpakets in dünne Mikrobunches, die den Abstand der Wellenlänge des emittierten Lichts haben“, erklärt Hauptautor und Doktorand Tim Plath. „Verschiedene Teile des Bündels erleben diesen Prozess mit etwas unterschiedlichen Wellenlängen und Phasen, die zu einer zackigen Struktur des Spektrums führen. Es liegt in der Natur dieses spontanen Verstärkungsprozesses, dass sich die Eigenschaften von Schuss zu Schuss leicht unterscheiden. Dieser Vorgang wird als selbstverstärkende spontane Emission (SASE – self-amplification of spontaneous emission) bezeichnet und wird heutzutage bei vielen Freie-Elektronen-Lasern eingesetzt.“
Um die spektralen Eigenschaften, d.h. die Qualität des Laserpulses, zu verbessern, ordnen die Wissenschaftler die Elektronen bereits in Mikrobunchen an, bevor diese im Undulator das Laserlicht abstrahlen. Diese Technik wird als „Seeding“ bezeichnet und ermöglicht ein hohes Maß an Kontrolle über den Lasingprozess. „Sie beruht auf der Wechselwirkung der relativistischen Elektronenpakete mit externen Pulsen eines optischen Lasers und bietet die Möglichkeit, das Zeit-Frequenz-Spektrum der Laserstrahlen in modernen, weichen Röntgen-FELs anzupassen“, betont Jörn Bödewadt.
Für die Bestimmung der Leistungsprofile des Laserlichts vermessen die Wissenschaftler die Elektronenpakete, nachdem sie das Laserlicht abgestrahlt haben, und greifen so nicht in die erzeugten Lichtpulse ein. Die Forscher nutzen für die Messung ein spezielles Diagnosegerät namens Hochfrequenz (HF)-Deflektor. Beim Durchqueren des HF-Deflektors erhalten die Elektronen einen vertikalen Kick durch ein elektromagnetisches Hochfrequenzfeld, dessen Stärke von der Ankunftszeit der Elektronen abhängt, Elektronen im Kopf des Pakets erfahren so eine andere Stärke als Elektronen im Schwanz. Auf einem Beobachtungsbildschirm, der hinter dem HF-Deflektor installiert ist, wird auf diese Weise die Ankunftszeit eines Elektrons in die vertikale Position auf dem Bildschirm abgebildet und zeigt so ein Zeitprofil des Pakets. Zwischen dem HF-Deflektor und dem Bildschirm befindet sich außerdem ein Dipolmagnet, der die Elektronen abhängig von ihrer kinetischen Energie horizontal ablenkt. So wird die Energie der Elektronen auf einer horizontalen Position auf dem Beobachtungsschirm gezeigt. Insgesamt kann dadurch auf dem Beobachtungsbildschirm hinter dem HF-Deflektor zeitlich aufgelöst die Energie der Elektronen entlang des Pakets vermessen werden. Die Forscher bestimmen aus diesen Daten, wo die Elektronen wieviel Energie bei der Erzeugung eines Laserpulses verlieren und können hieraus das Längsprofil des erzeugten Laserpulses rekonstruieren.
„Mit dieser Methode kann man nicht nur das Strahlungsleistungsprofil des FEL-Pulses überwachen, sondern auch die Emittanz von Elektronenscheiben im Bündel abbilden, von denen es abgestrahlt wurde“, betont Jörg Rossbach. „Es zeigt sich, dass einige Regionen des Elektronenbündels eine gute Qualität zeigen und sehr effizient geseedet, also zum Lasen stimuliert werden können, während andere nur schwaches oder gar kein erzeugtes Licht zeigen.“
Mit einer einfachen, aber eleganten Analyse der Messungen kann die ungleichmäßige Leistung in verschiedenen Teilen des Elektronenpakets auf die Eigenschaften seiner einzelnen Scheiben zurückgeführt werden. Um dies zu messen, nutzten die Wissenschaftler den Seed-Laser als eine Art Sonde für das Innere des Elektronenpakets: Der Seed-Puls ist so kurz, dass er nur einen kurzen Teil des Pakets überdeckt und so nur diesen Teil dazu anregt, Laserlicht zu emittieren. Die Beobachtung des Zeit-Energie-Profils von Paketen, die auf diese Weise stimuliert wurden, zeigt genau, wie gut einzelne Bunch-Scheiben zum Lasingprozess beitragen. Die Messungen bestätigen ein Modell der von den Wissenschaftlern berechneten Elektronenpaket-Qualität und das daraus vorhergesagte Laserverhalten. „Wesentliche Scheibenqualitätsparameter wie Elektronenenergie, Energieverteilung und Emittanz können buchstäblich auf dem Flug mit einer zeitlichen Auflösung von wenigen Femtosekunden (Milliardstel Millionstel Sekunden) eingefangen werden, während sich die Elektronen mit annähernd Lichtgeschwindigkeit bewegen“, betont Tim Plath. „Das ermöglicht die Vorhersage der Spitzenleistung des abgestrahlten FEL-Pulses. Der Seeding-Puls dient dabei als mikroskopische Sonde, die lokal im Elektronenbündel den FEL-Prozess stimuliert und unsere Rekonstruktion der Elektronenstrahl-Qualität bestätigt.“
Diagnosewerkzeuge dieser Art sind für zukünftige kompakte Elektronenquellen und -beschleuniger und neuartigen Freie-Elektronen-Laser von großer Bedeutung. „Der experimentelle Zugang zu den Scheibenparametern des Elektronenpakets hilft, die zeitliche und spektrale Qualität von hochintensiven Elektronen- oder Photonenstrahlen deutlich zu verbessern und so noch anspruchsvolle Anwenderexperimente durchzuführen“, so Tim Laarmann.