Arbeitsplatz Hochschule: Wachsende Verantwortung, wenig Anerkennung, oft nur befristet beschäftigt
Studie untersucht Situation des wissenschaftsunterstützenden Personals
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Bologna, New Public Management, Digitalisierung: Die Arbeit des Personals an Unis und Fachhochschulen hat sich in der jüngeren Vergangenheit grundlegend gewandelt. Während die Auswirkungen auf Forschung und Lehre schon Gegenstand zahlreicher Expertisen und Studien waren, hat bislang niemand systematisch untersucht, was sich dadurch für die über 160.000 Beschäftigten in Verwaltung, Rechenzentren, Haustechnik, Bibliotheken und Laboren verändert hat. Die neue Studie eines Forschungsteams um Prof. Dr. Andrä Wolter (Humboldt-Universität zu Berlin) und Dr. Ulf Banscherus (Technische Universität Berlin) schließt diese Lücke. Die Hochschulforscher haben unter anderem eine Onlinebefragung unter mehr als 2500 Hochschulbeschäftigten und Interviews an 21 Hochschulen in zwölf Bundesländern durchgeführt.
An den Hochschulen kam seit den 1990er-Jahren einiges zusammen. Zu nennen ist die Verwaltungsmodernisierung, Stichwort New Public Management, die aus der Privatwirtschaft entlehnte Steuerungsmethoden sowie ein neues Rechnungswesen mit sich brachte. Dazu kommen die veränderten Finanzierungsmechanismen der Forschung, bei denen das Einwerben von Drittmitteln immer wichtiger wird. Gleichzeitig wurden die meisten Studiengänge im Zuge des sogenannten Bologna-Prozesses auf Bachelor und Master umgestellt – was unter anderem die Zahl der Prüfungen vervielfacht hat. Ohne massiven Einsatz neuer Computertechnik wäre dies gar nicht zu bewältigen gewesen. Zumal die Zahl der Studienanfänger von 268.000 im Jahr 1997 auf über 500.000 gestiegen ist, ohne dass im gleichen Maße zusätzliches Personal eingestellt worden wäre: Auf Vollzeitstellen umgerechnet, stieg die Zahl der wissenschaftsunterstützenden Beschäftigten bei starken zwischenzeitlichen Schwankungen zwischen 1995 und 2014 lediglich von 119.000 auf 124.000. Weitere Stichworte sind Exzellenzinitiative, verstärkter Wettbewerb zwischen den Unis, Modularisierung des Studiums, Profilbildung, Akkreditierung von Studiengängen oder Qualitätsmanagement.
Auf der Ebene des – weiblich dominierten – wissenschaftsunterstützenden Personals sind zunächst zwei Entwicklungen auffällig: Zum einen ist der Anteil der Teilzeitstellen von 26 Prozent im Jahr 1995 bis auf 38 Prozent im Jahr 2014 gestiegen, wobei deutlich über ein Drittel der Teilzeitkräfte gern länger arbeiten würde. Zum anderen hat die Zahl der Befristungen zugenommen. Fast jeder vierte Vertrag hat ein festes Ablaufdatum. Zudem geben 48 Prozent des wissenschaftsunterstützenden Hochschulpersonals an, dass sich ihre Aufgaben im Laufe der Jahre stark oder sehr stark gewandelt hätten. 69 Prozent stellen fest, dass die fachlichen Anforderungen im Job gestiegen seien. Gesamtwirtschaftlich liegt der entsprechende Wert nur bei 48 Prozent.
Wie die Beschäftigten den rasanten Wandel erleben, zeichnen die Forscher von Humboldt-Universität und Technischer Universität beispielhaft anhand unterschiedlicher Stellenprofile nach:
Mehr Verantwortung, mehr Bürokratie
In der Verwaltung hat der Arbeitsumfang mit der Zahl der Studierenden und den zu erbringenden Prüfungsleistungen erheblich zugenommen. Auch die wachsende Zahl wissenschaftlicher Mitarbeiter, für die ständig neue befristete Arbeitsverträge ausgefertigt werden müssen, führt zu einer Arbeitsverdichtung. Zwar helfen neue Computersysteme, weil man nun „in zwei Stunden“ schafft, „wo man früher vielleicht ein paar Tage, eine Woche gebraucht hat“, wie eine Interviewte sagt. Allerdings hat die Technik ihre Tücken. Häufig sind die komplexen Systeme nicht genau genug an die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes angepasst worden. Einiges ist außerdem erheblich bürokratischer geworden: Zwar haben sich die Entscheidungsspielräume der Beschäftigten im Zuge der Verwaltungsmodernisierung häufig erweitert. Im Gegenzug sind aber die Dokumentations- und Berichtspflichten stark angewachsen: „Früher habe ich, um einen Euro auszugeben, drei Formulare gebraucht. Heute brauche ich für diesen gleichen Euro zwölf Formulare mindestens.“
Über zunehmende Bürokratie klagen auch die Beschäftigten in den Sekretariaten. Die meisten Sekretärinnen sind schon längst keine Schreibkräfte mehr, sondern an der Schnittstelle zwischen Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern, Studierenden und Verwaltung für so ziemlich für alles zuständig. Sie schätzen, dass ihre Arbeit heute interessanter und abwechslungsreicher ist als früher. Andererseits waren die Aufgaben in den 90er-Jahren übersichtlicher und strukturierter. Die gestiegene Verantwortung und Belastung schlägt sich zum Ärger vieler Beschäftigter nicht in höheren Eingruppierungen nieder. Aufstiegsmöglichkeiten gibt es praktisch nicht. Obwohl sie sich mit viel Engagement in neue Aufgabengebiete eingearbeitet haben, stecken viele in einer beruflichen Sackgasse.
In den Bibliotheken dominieren technische Herausforderungen den Berufsalltag: elektronische Datenbanken, Bücher mit Funketiketten, Ausleihautomaten. Die Technik erfordert nicht nur permanente Weiterbildung, sie hat auch die sozialen Kontakte im Job verändert: Wenn alle Standardvorgänge automatisiert sind, haben die Bibliothekare nur noch dann direkten Kontakt mit den Studierenden, wenn etwas nicht funktioniert – und können oft nicht helfen, weil sie nicht in die elektronischen Systeme eingreifen können. Dabei ist der Besucherandrang infolge der Studienreformen gestiegen. In den Semesterferien sitzen heute nicht weniger Studierende in der Bibliothek als in der Vorlesungszeit, berichtet eine Befragte. Die Ausweitung der Öffnungszeiten auf Wochenende und Abendstunden ist nur durch – infolge der kürzeren Studiendauer – häufig wechselnde studentische Hilfskräfte zu bewältigen.
Starke Eigeninitiative, wenig Anerkennung
Von permanenten Reformen, Digitalisierung und anderen neuen Herausforderungen sind auch die technischen Bereiche der Hochschulen betroffen. Das gilt etwa für die Rechenzentren, die beispielsweise IT-Systeme zur Verwaltung der Studienleistungen am Laufen halten und sie an ständig geänderte Prüfungsordnungen anpassen müssen. Haustechniker sind heute häufig keine Handwerker mehr, die kleine Reparaturen durchführen, sondern Manager, die Fremdfirmen beauftragen und den Überblick behalten müssen, damit sich die verschiedenen technischen Systeme nicht ins Gehege kommen. Laborassistenten müssen nicht nur immer mehr Studierende in sich schneller verändernden Techniken schulen, sondern dies zunehmend auf Englisch tun, was vielen nicht leicht fällt. Auch hier gilt: Gestiegene Anforderungen schlagen sich in der Regel nicht in einer höheren Eingruppierung nieder. Insbesondere IT-Beschäftigte werden weit unter den in der Privatwirtschaft üblichen Tarifen bezahlt.
Insgesamt halten die Autoren der Studie fest: „Die geringe Vergütung und die ungenügenden Entwicklungsmöglichkeiten werden von den befragten Beschäftigten auch als fehlende Wertschätzung ihrer Arbeit und als demotivierend empfunden.“ Insbesondere auf den Leitungsebenen der Hochschulen werde die Arbeit des wissenschaftsunterstützenden Personals kaum gewürdigt, kritisieren viele Befragte. Nur 23 Prozent fühlen sich von der Führung wertgeschätzt, während 68 Prozent angeben, sie erführen Anerkennung von ihren Kollegen. Viele nehmen allerdings negative Klimaveränderungen wahr: Jüngere wissenschaftliche Mitarbeiter und Studierende würden ihnen häufig „fordernder“ gegenübertreten, als es früher üblich gewesen sei. Dennoch arbeiten die meisten gern an der Uni oder FH, weil sich ihnen dort ein spannendes Arbeitsumfeld bietet. Eine dem öffentlichen Dienst häufig nachgesagte „Verwaltungsmentalität“ sei unter den befragten Beschäftigen im Übrigen viel seltener anzutreffen, als dies häufig behauptet werde, betonen die Autoren der Studie. Etwa jeder Siebte gehe regelmäßig „ an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit“. Umso frustrierender sei der Mangel an materieller und immaterieller Anerkennung. Dass der alltägliche Hochschulbetrieb allen unabgestimmten Reformen und technischen Unzulänglichkeiten zum Trotz vergleichsweise reibungslos funktioniere, sei gerade auch dem Einsatz des wissenschaftsunterstützenden Personals zu verdanken, so die Forscher. Entsprechend sollten sie mehr Gelegenheit zur Mitsprache und bessere Möglichkeiten zur beruflichen Entwicklung bekommen.