Winzige Verunreinigungen eines chemischen Stoffes können große Wirkungen haben – zu diesem Ergebnis ist ein deutsch-österreichisches Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Georg Steinhauser aus dem Institut für Strahlenschutz an der Leibniz Universität Hannover gekommen. Ging man in der Chemie bisher davon aus, dass Minimalspuren eines anderen Elements keinen Einfluss auf das Kristallisationsverhalten oder den chemischen Aufbau einer Substanz haben, so hat das Experiment – zumindest für das Element Americium – diese Annahme widerlegt.
Der Forschungsgruppe ist in ihrer aktuellen Arbeit ein bahnbrechender Nachweis gelungen: Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass eine Ultraspurenverunreinigung des radioaktiven Elements Americium das chemische Verhalten einer Verbindung der Seltenen Erden Terbium drastisch beeinflusst. Terbium ist ein Vertreter der schweren Seltenen Erden. In der Arbeit wird gezeigt, dass ein Americium-Atom einer halben Milliarde Terbium-Atomen diktiert, sich wie eine leichte Seltene Erde zu verhalten. „Zu Beginn konnten wir uns das eigenartige Kristallisationsverhalten nicht erklären. Zu absurd schien der Gedanke, dass ein paar Atome den ganzen Kristall dominieren könnten“, sagt Prof. Georg Steinhauser. Rund 100 Experimente über einen langen Zeitraum bestätigten den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Vermutung, dass das Americium-Atom das Verhalten des Terbiums so beeinflusst, als hätte sich sein Atomgewicht verringert. Im Periodensystem der Elemente rutscht das Terbium scheinbar weiter nach vorn in den Bereich der leichten Seltenen Erden.
Americium ist ein radioaktives Element und von daher leicht messbar. Diese Tatsache hat den Nachweis erst möglich gemacht; die minimalen Verunreinigungen hätten mit normalen analytisch-chemischen Methoden wahrscheinlich gar nicht wahrgenommen werden können.
Dieses Ergebnis kann Einfluss auf die Designkriterien eines Endlagers für radioaktive Abfälle haben. Bisher wurde lediglich untersucht, welchen Einfluss unterschiedliche Umweltbedingungen auf das Migrationsverhalten der radioaktiven Abfälle - unter anderem Americium - auswirken. „Unsere Arbeit konnte zeigen, dass man unter bestimmten Bedingungen auch berücksichtigen muss, wie die radioaktiven Abfälle ihre Umwelt ändern können. Das ist eine Sichtweise, die bisher nicht denkbar schien. Mit diesem Wissen sind wir einem sicheren Endlager einen wichtigen Schritt nähergekommen“, erklärt Professor Steinhauser.