Aus Staub geboren: Marmor aus dem Computer

Bremer Fraunhofer Forscher testen Marmorpulvergemische hinsichtlich ihrer Qualitäten zur Objektbildung

27.06.2003

Um neue Verfahren zur Herstellung von Repliken für Kunstdenkmäler zu entwickeln, fand das Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) mit Partnern aus Griechenland und England zum EU-Projekt ECOMARBLE zusammen. Die Forscher untersuchten, inwieweit Marmorstaub zum Bau von Skulpturen taugt.

Marmor ist seit der Antike ein gefragtes Material - für Architektur oder Kunst. Ägypten, Italien und Griechenland sind Hauptexporteure für den kostbaren Stein. Jährlich werden mehrere Tausend Tonnen Rohblöcke abgebaut. Dabei entstehen als Abfall unzählige Tonnen Marmorstaub. Zu schade, um ihn ungenutzt zu entsorgen. "Zwei unterschiedliche Themen haben wir im Projekt ECOMARBLE untersucht", berichtet Dirk Hennigs vom IFAM in Bremen. "Eine der Aufgaben war exakte Kopien historischer Originale herzustellen. Auf der anderen Seite ging es darum, Marmorobjekte für den Massenmarkt zu produzieren, beispielsweise mit dem Spritzgussverfahren."

Um eine Kopie zu erstellen, müssen zuerst die exakten Geometriedaten des Originals erfasst werden. Eine Schwierigkeit war, die Originale dreidimensional zu vermessen. Denn oft dürfen sie nicht berührt, geschweige denn transportiert werden. Das griechische Unternehmen Geoanalysis lieferte das Verfahren: "Digital Photogrammertry". Als Teststück wählten die Forscher den Kopf der Hygeia; in der antiken griechischen Mythologie die Göttin der Gesundheit. Ein transportables Gerät erfaßt berührungslos Konturen und Maße des Kopfes. Automatisch erstellt es ein dreidimensionales Computermodell des Originals.

"Mit Hilfe dieses Modells und dem Rapid-Prototyping-Verfahren 3D-Printing nach ProMetal® können wir den Kopf der Hygeia dreidimensional Schicht für Schicht ausdrucken. Dieses Verfahren ist europaweit einzigartig. Nahezu alle pulverförmigen Materialen lassen sich verarbeiten, auch Marmorstaub", erklärt Hennigs. Doch bevor die Maße der Hygeia in einen Ersatzkopf umgewandelt werden konnten, musste die richtige Mischung für Staub und Binder gefunden werden. Hier kamen die Materialforscher aus Bremen zum Einsatz. Sie testeten Marmorpulver unterschiedlicher Größe und Qualität; untersuchten das Staub-Binder-Verhältnis. Ergebnis: Ideal ist Pulver mit einer Partikelgröße zwischen 50 und 100 µm. Sind die Pulverteilchen kleiner, funktioniert das 3D-Printing nicht gleichmäßig und fehlerfrei. Sind die Teilchen größer, ist die Oberfläche der fertigen Skulptur nicht mehr durchgängig glatt.

Frisch aus dem 3-D-Drucker ist der Kopf noch porös: 35 Prozent des Volumens bestehen aus kleinsten Poren und damit aus Luft. Die Marmorpartikel sind nur leicht untereinander verklebt. Um sie fest zu fügen, wird ein Bindermittel unter Vakuum in diese kleinsten Poren eingebracht. Nach einem halben Tag Aushärtezeit ist Schleifen und Polieren problemlos möglich - der Kopf der Hygeia ist fertig. "Im Vergleich zu einer handgefertigten Kopie vom Steinmetz ist das Verfahren deutlich schneller und damit auch deutlich preisgünstiger. Eine Alternative für Museen, die sensible Kostbarkeiten in hoher Qualität ersetzen wollen", sagt Hennigs.

Anders liegen die Ziele beim Pulver-Spritzguss - mit dieser Technik wird Masse produziert. Die Bremer Materialforscher fanden eine Staub-Binder-Mischung, mit der sich kleine Marmorobjekte in Serie spritzgießen lassen. Handliche Nachbildungen der Akropolis oder des Athener Olympiastadions, die als Souvenirs verkauft werden. "Geoanalysis, unserer Partner in Griechenland, setzt die Technologie gerade mit unserer Unterstützung um", sagt Hennigs. "Denn wenn nächstes Jahr die Olympiade in Griechenland ist, werden sicherlich viele Besucher ein marmornes Erinnerungsstücke mit nach Hause nehmen wollen."

Dass die Freude am Souvenir von Dauer ist, stellten die Forscher sicher. Sie testeten die Langzeitstabilität der Objekte beispielsweise in einer Klimakammer zwischen -30 und +100 °C, mit einem UV- oder Salzsprühnebeltest. Sogar Namenspatron Joseph von Fraunhofer ist im Einsatz: Als Langzeitversuch ist eine Marmorbüste aus dem 3-D-Printer mit seinem Konterfei auf dem Dach der griechischen Partnerfirma montiert. Dort trotzt sie seit Februar 2001 dem griechischen Sommer und Winter. Bislang zeigen sich noch keine erkennbaren Alterungserscheinungen. Nur wenn sie zu Boden fällt und zerbirst, wird die Büste wieder zu Scherben - und zu Staub.

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