Trennung von Chemie soll Bayer auf Wachstumspfad zurückführen
Die Identifikation der Belegschaft mit dem Unternehmen wurzelt ist. Bayer ist nicht nur Brötchengeber. Bei dem Leverkusener Konzern starteten viele Mitarbeiter - wie Vorstandschef Wenning - mit einer Lehre ins Berufsleben und blieben bei Bayer. Das Unternehmen ist für sie eine große Familie unter dem Bayer-Kreuz. Das weiß auch der Konzernlenker: «Die Trennung von unserem Chemiegeschäft, und damit von einem Großteil unserer historischer Wurzeln, bedeutet eine einschneidende Veränderung für unseren Konzern.» Wenning ist sicher, dass sich die Mitarbeiter in den neuen Strukturen bald zu Hause fühlen werden.
Tatsächlich gibt es zu den Plänen des Vorstands angesichts der Konjunkturflaute und des schwachen Chemiegeschäfts kaum eine Alternative. Das wissen auch die Arbeitnehmervertreter. «Das Herz sagt nein, der Kopf sagt ja», beschreibt Betriebsratschef Erhard Gipperich die Gemütslage der Beschäftigten. Eine Ablehnung der Pläne hätte noch mehr Arbeitsplätze gekostet, als ohnehin schon auf der Streichliste stehen. Durch das laufende Einsparprogramm wird Bayer bis Ende dieses Jahres 10 000 von 14 000 Stellen abgebaut haben. An deutschen Standorten steht der Abbau von 2500 Stellen noch bevor.
Von der neuen Chemiesparte unter dem vorläufigen Namen «NewCo» will sich Bayer komplett trennen. Bis 2005 soll der Bereich an die Börse gebracht werden - entweder durch ein Angebot an die Bayer- Aktionäre (spin-off) oder einen klassischen Börsengang (IPO). Vieles spreche derzeit für die erste Alternative, sagte Finanzvortand Klaus Kühn. Nach der Abtrennung werde das Unternehmen mit Standort Leverkusen im MDAX notiert sein.
Mit der Neuausrichtung hat Bayer in der Branche und an den Kapitalmärkten die Debatte um eine weitere Bereinigung des Portfolios aufleben lassen. Es kommt dort nicht gut an, dass sich das Unternehmen nicht auch vom Bereich Kunststoffe vollständig losgesagt hat und sich als ein reines Life-Science-Unternehmen (Gesundheit, Pflanzenschutz) positioniert. Andere Unternehmen wie der Hoechst- Konzern waren diesen Schritt gegangen.
Die beschlossene Trennung von der Chemie sei kein Auftakt für weitere Verkäufe, beteuert Wenning. Er ist der Diskussion über den Sinn oder Unsinn von Konglomeraten sichtlich überdrüssig: «Ohne Wenn und Aber - MaterialScience steht nicht zum Verkauf!» - basta, Schluss. Der Bereich sei ein wachsendes und profitables Geschäft, begründete Wenning das Festhalten an der Kunststoffsparte.
Claus Heitmann, der designierte Vorstandsvorsitzende von «NewCo», sieht indes glänzende Aussichten für das Chemieunternehmen ohne die Konzernmutter Bayer. Das Unternehmen mit 5,6 Milliarden Euro Umsatz, mehr als 5000 Produkten sowie 40 Gesellschaften an 52 Standorten könne flexibler auf die Märkte reagieren, sagt er. Zudem habe das Management künftig viel mehr Gestaltungsspielraum. Wenning will ihm keinen Stein in den Weg legen: «Wir werden alles tun, um der neuen Gesellschaft einen Erfolg versprechenden Start zu ermöglichen.»
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