Substanzen mit möglicher Antitumorwirkung in Rotwein entstehen beim Reifen in Eichenholzfässern

11.12.2003

Polyphenole verleihen dem Rotwein nicht nur sein charakteristisches herbes Aroma, sie sind es auch, die den neuerdings so guten Ruf dieses Genussmittels als wahrer Gesundheitstrank begründet haben: Sie sollen Herzkrankheiten und Atherosklerose vorbeugen. Französische Forscher um Stéphane Quideau haben nun weitere Vertreter der Polyphenole in Rotwein entdeckt, die anticancerogene Wirkung haben könnten.

Polyphenole sind eine große Substanzgruppe, zu der Gerb- und Farbstoffe vieler Früchte und Gemüse zählen, wie die Tannine und Flavonoide. "Etliche dieser Stoffe haben bereits Einzug in die Medizin gehalten, das Potenzial ist aber noch bei weitem nicht ausgeschöpft," sagt Quideau. In Rotwein haben er und sein Team nun eine weitere interessante Verbindung ausgemacht: Acutissimin A ist ein so genanntes Flavano-Ellagitannin und hat damit beides, einen Flavonoid- und einen Tannin-Anteil. Erstmals wurde der Stoff in der Eichenart Quercus acutissima gefunden, von der er seinen Namen hat. Was Acutissimin A so attraktiv macht, ist seine inhibitorische Wirkung auf die DNA-Topoisomerase II. Denn dieses Enzym ist ein Angriffspunkt für die Krebstherapie. Acutissimin A inhibiert das Enzym 250 mal stärker als das klinisch verwendete Antitumormittel Etoposid. Der französischen Gruppe gelang es, Acutissimin A halbsynthetisch im Labor herzustellen, indem sie das Flavonoid Catechin und das Tannin Vescalagin verknüpften. Wird ein Isomer von Catechin, Epicatechin, eingesetzt, entsteht eine eng verwandte, bisher unbekannte Verbindung, die die Forscher "Epiacutissimin" tauften. Auch diese neue Substanz konnte das Team später in Rotwein-Extrakten identifizieren.

Und wie kommen Acutissimin und Epiacutissimin in den Rotwein? Die Reifung in Eichenfässern macht's! Quideau: "Der Traubensaft bringt die flavonoiden Vorstufen Catechin und Epicatechin mit. Während der Lagerung extrahiert die alkoholische Flüssigkeit dann ein ganzes Bouquet an Substanzen aus den Eichenfässern, darunter auch den benötigten Reaktionspartner Vescalagin."

So weit, dem Getränk nun eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs zu attestieren, wollen Quideau und seinen Kollegen nicht gleich gehen. Aber man darf gespannt sein, welche Überraschungen der Rotwein als Nächstes für uns parat hat. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die edlen Tropfen noch weitere Gerbstoff-Hybridmoleküle mit interessanten pharmakologischen Wirkungen in petto haben.

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