Duftvorhersage
Maiglöckchenriechstoffe: Elektronische Oberflächenstruktur bestimmt Wechselwirkungen mit Geruchsrezeptoren
Üblicherweise besteht ein Geruch aus einer großen Anzahl einzelner Riechstoffe. Da jeder Riechstoff meist mit mehreren der etwa 347 Geruchsrezeptoren unserer Nase reagiert, können selbst einzelne Riechstoffe komplexe Gerüche zeigen. "Beim Entwurf neuer Riechstoffe ist man damit auf von Modellverbindungen abgeleitete Struktur-Wirkungs-Beziehungen und Intuition angewiesen," sagt Kraft. Mithilfe von Spermien kann man hingegen den Maiglöckchen-Rezeptor quasi isoliert studieren und so den primären Riechvorgang am Computer simulieren.
Ein Rezeptor spricht auf einen Riechstoff an, wenn dieser in dessen Bindungstasche passt. Ist deren Struktur bekannt, sollte sich anhand von Computermodellen vorhersagen lassen, ob und wie stark eine Substanz den Riechrezeptor aktiviert. Um diese Theorie zu belegen, testeten die Wissenschaftler, wie sich der Austausch eines Kohlenstoff-Atoms durch ein Silicium-Atom auf den Geruch der Maiglöckchen-Riechstoffe Lilial und Bourgeonal auswirkt und ob sich diese subtile Änderung, die nur wenig Einfluss auf die Molekülform hat, auch quantitativ vorhersagen lässt. Tatsächlich ließ sich die menschliche Nase hereinlegen. Tacke: "Alle vier der synthetisierten Stoffe zeigen typisch blumig-aldehydige Maiglöckchen-Düfte, riechen jedoch nicht identisch." In der Nähe ihrer Geruchsschwellenwerte ließen sich die Riechstoffe dagegen nicht mehr unterscheiden. "Bei diesen geringen Konzentrationen wird nur noch der empfindlichste Maiglöckchen-Rezeptor aktiviert," sagt Hatt.
Im Vorfeld hatten die Forscher auf der Basis berechneter Bindungsenergien die Geruchsintensitäten sowie die Empfindlichkeit der Spermien auf die Substanzen vorhergesagt. Diese Vorhersagen stimmten sehr gut mit den experimentellen Befunden überein. Wie erwartet lagen die Geruchsschwellen für die Silicium-Analoga deutlich höher als für Lilial und Bourgeonal.
"Unsere Computerberechnungen basieren ausschließlich auf der Moleküloberflächenform, die durch die Elektronen definiert wird," erklären die Wissenschaftler. "Die Ergebnisse belegen daher eindeutig, dass diese elektronische Oberflächenstruktur die Wechselwirkungen eines Riechstoffs mit seinen Rezeptoren bestimmt - und damit seinen Geruch."
Originalveröffentlichung: Reinhold Tackeet al.; "Duftvorhersage: das Computermodell des hOR17-4-Rezeptors auf dem Prüfstand mit Silicium-Analoga von Bourgeonal und Lilial"; Angewandte Chemie 2007, 119, No. 18, 3431-3436.
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